Das Haimer Face Shield. –

Das Haimer Face Shield erfüllt die Sicherheitsanforderungen der PSA-Verordnung (Persönliche Schutzausrüstung) EU 2016/425 Kategorie II und die Anforderungen an Augenschutzgeräte nach EN 166:2001 zum Schutz gegen Tropfen und Flüssigkeitsspritzer. – (Bild: Haimer)

Haimer hat einen Vollvisier Gesichtsschutz entwickelt. Beim Thema Formenbau setzt das Unternehmen auf die Kompetenz von Deckerform. Mit einem gemeinsam ausgeklügelten Produktionsprozess beweisen die beiden Firmen, dass sich qualitativ hochwertige Produkte in Bayern zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis herstellen lassen.

Die Covid-19-Pandemie hat viele Unternehmen in eine Krise gestürzt. Aber solche Krisenzeiten bergen stets Chancen. Sie sind immer auch das, was man daraus macht. Und dieses „Machen“ zeichnet erfolgreiche Firmen wie Haimer in Igenhausen bei Augsburg aus. Nachdem das Corona-Virus auch in ihrer Heimat Menschen getroffen hat, entstand in der Geschäftsleitung des Familienunternehmens die Idee, ein Produkt zu entwickeln, das neben Mitarbeitern in Industrie und Handwerk auch Personen in anderem Umfeld schützt. Die Ende März entstandene Idee formte sich zu einem Vollvisier Gesichtsschutz, dem Haimer Face Shield, das gefährliche Tröpfchen durch eine klare Scheibe von Augen, Nase und Mund fernhält und gleichzeitig was den Tragekomfort angeht angenehmer für die ganztägige Anwendung ist.

Zugegeben, keine ganz neue Produktidee. Solche Teile gibt es bereits – in der Regel „Made in Fernost“ und außerhalb von Krisenzeiten für kleines Geld zu kaufen. Aber lässt es sich nicht auch hier in Deutschland, in Bayern wirtschaftlich produzieren? Vielleicht sogar mit verbesserten Funktionen? Haimer war davon überzeugt, und das eigene Entwicklungs- und Konstruktionsteam setzte sich im Detail mit erwünschten Funktionen und konstruktiven Details des Gesichtsschutzes auseinander.

Leistungsstarker Partner

Von vornherein war klar, dass für den Werkzeugbau und den Produktionsprozess ein leistungsstarker Partner mit ins Boot geholt werden muss. Erste Wahl: die Deckerform-Gruppe, Spezialist für Formenbau und Kunststofftechnik, zudem ebenfalls ein Familienbetrieb und im nur knapp zehn Kilometer entfernten Aichach zu Hause. Die Familien Haimer und Tschacha kennen sich schon viele Jahre und sind ebenso lange Geschäftspartner. Anna Tschacha, Geschäftsführende Gesellschafterin, erklärt: „Wir beziehen schon immer Werkzeugaufnahmen von Haimer, deren hohe Qualität unsere Mitarbeiter durchgängig überzeugt. So liegt der Haimer-Anteil inzwischen über 80 Prozent. Dazu haben wir von Haimer eine Wuchtmaschine und ein topaktuelles Schrumpfgerät der i4.0-Premium Baureihe sowie diverse Vollhartmetallfräser im Einsatz.“

Automatisierung mit Greiferlösung. –
Automatisierung mit Greiferlösung zur Entnahme des fertigen Bauteils, das aus einem Träger mit zwei Kopfbändern und einem Visierträger besteht. – (Bild: Haimer)

Kompetenzen im Formenbau

Hohes Qualitätsbewusstsein ist eine Eigenschaft, die beide Unternehmen eint. Auch darum war der gewünschte Projektpartner Deckerform. „Wir haben uns konsequent vom Werkzeug- und Formenbauer zum Systemlieferanten für die Kunststoffverarbeitung weiterentwickelt“, schildert die Geschäftsführerin. „Zwar entwickeln und bauen wir nach wie vor anspruchsvolle Spritzgießformen für die Automobilindustrie sowie für Hersteller von Stühlen, Einkaufswagen oder Fassadenelementen und vielem mehr.“ Sie weist aber darauf hin, dass seit 2007 das gesammelte Fertigungs- und Entwicklungs-Know-how in einer eigenen Firma gebündelt wurde, der Deckerform Technologies GmbH, auch Ideenschmiede genannt. Sie ist dafür zuständig, anhand von Füll- und Verzugsanalysen, FEM-Festigkeitsberechnungen und Topologieoptimierungen die Bauteile spritzgussgerecht zu optimieren.

Das Werkzeug bei der Erstbemusterung. –
Das Werkzeug bei der Erstbemusterung auf der Toyo Maschine. – (Bild: Haimer)

Für das Gesichtsschutz-Projekt waren für Haimer die Kompetenzen im Formenbau und der Ideenschmiede entscheidend. Beim Deckerform-Ansprechpartner Peter Ottillinger stießen die Haimer-Pläne auf große Zustimmung. Und nicht nur bei ihm. Auch Familie Tschacha und die Deckerform-Belegschaft zeigten sich begeistert. „Unsere Konstrukteure legten sogar eine Wochenendschicht ein, um die engen Zeitvorgaben zu erfüllen“, berichtet Ottillinger. „Gerade, weil alles sehr schnell gehen musste, war der kurze Weg zwischen Igenhausen und Aichach sehr vorteilhaft. So konnten die Haimer-Entwickler und ich ein perfektes Pingpong-Spiel aufziehen, in dem wir die Vorstellungen vom Produkt, dem erforderlichen Werkzeug und dem optimalen Produktionsprozess permanent abgestimmt haben.“

Mit Haimer Face Shield ausgestattet: Tobias Völker und Sebastian Völk. –
Mit Haimer Face Shield ausgestattet: Tobias Völker, Leiter Marketing Haimer; und Sebastian Völk, Vertrieb bei Deckerform; beim Gespräch über das Spritzgießwerkzeug. – (Bild: Haimer)

Ausgehend von einer Spritzgießsimulation, die wegen der sehr dünnen Wandstärken und langen Fließwege zwingend erforderlich war, ergänzten die Kunststoffspezialisten die Produktkonstruktion um Angüsse und Verteiler. Und sie planten die Werkzeugtechnik: Wo werden Heißkanäle benötigt, wo sind Formschrägen erforderlich? Wie sind die Wandstärkenverhältnisse? Wo braucht man Touchierungen? „Wir haben dabei auf eine optimierte Zerspanung geachtet“, erklärt Ottillinger. „Schließlich wollten wir die Formwerkzeuge hauptsächlich fräsen und zeitaufwändiges Erodieren vermeiden. So galt es zum Beispiel, die Rippen in ihrem Tiefen-/Breitenverhältnis und den Radien so zu gestalten, dass sie gefräst werden können.“

Langjährige Partnerschaft

Die langjährige Partnerschaft der Firmen Deckerform und Haimer liegt genau hier begründet: beim Fräsen im Formenbau. Die Zerspanungsspezialisten bei Deckerform schwören auf die Haimer Schrumpfspannfutter, insbesondere auf die Power Shrink Chucks. Sie zeichnen sich durch ein optimiertes Design aus, das hohe Steifigkeit mit Schwingungsdämpfung verbindet – wodurch sie sich für Hochgeschwindigkeits- oder Hochpräzisions-Fräsanwendungen empfehlen.

Beim Fräsen des Spritzgießwerkzeugs für das Haimer Face Shield. –
Beim Fräsen des Spritzgießwerkzeugs für das Haimer Face Shield wurden selbstverständlich Haimer Werkzeugaufnahmen und Fräser eingesetzt. In diesem Fall wird mit dem kraftvollen, aber dennoch schlanken Power Mini Shrink gefräst. – (Bild: Haimer)

Die Qualität zeigt sich hier – wie bei allen Haimer Schrumpffuttern – unter anderem in der Rundlaufgenauigkeit von < 3 μm bei 3xD Werkzeugauskragung. Für tiefen Kavitäten wie zum Beispiel Rippen nutzen die Formenbauer Haimer Power Mini Shrink Chucks, die durch ihre schlanke 3-Grad-Außenkontur ideal für die 5-Achs Bearbeitung von schwer zugänglichen Bauteilen sind.

Beim Schrumpfprozess achtet Deckerform ebenfalls auf hohe Qualität, Bedienerfreundlichkeit – und ein zeitgemäßes Datenhandling. Deshalb investierte das Unternehmen in eine High-End Schrumpfstation der Power Clamp i4.0 Premium Reihe von Haimer. Sie ermöglicht ein teilautomatisiertes Schrumpfen, ist intuitiv zu bedienen und Industrie 4.0 ready.

Werkzeug mit Logo. –
Auch das Haimer-Logo wurde beim Werkzeug integriert. – (Bild: Haimer)

Digitaler Datentransfer

Für den digitalen Datentransfer an die Werkzeugmaschine integriert Deckerform RFID-Chips in die Werkzeughalter. „Diese müssen dann zwar erneut gewuchtet werden, aber die Vorteile sind das wert“, erklärt Anna Tschacha. Das Feinwuchten findet auf einer Haimer Tool Dynamic Comfort Wuchtmaschine statt.

Die jüngsten Deckerform-Investitionen bei Haimer betreffen Vollhartmetall-Fräser, wie Peter Ottillinger sagt: „Die Leistung der Haimer-Mill-Fräser hat uns einfach überzeugt. Wir haben sie – wie auch die Vollradiusfräser aus der Power-Mill-Serie – zusammen mit unterschiedlichen Wettbewerbsprodukten vielen Tests unterzogen und als Konsequenz weitgehend auf die Haimer Produkte umgestellt.“ Deckerform nutzt die Schaftfräser in der 2,5xD-Variante vor allem zum Schruppen. Dabei überzeugen sie bezüglich Zerspanvolumen, Standzeit und Qualität der Bearbeitung.

Wir wollen ein Zeichen setzen, was alles möglich ist, wenn wir regionale Kräfte bündeln.

Tobias Völker, Haimer

Den beiden Unternehmen gelang es, Produktentwicklung und Werkzeugkonstruktion für das Gesichtsschutz Vollvisier so zu ineinander zu verzahnen, dass der Werkzeugbau nach einer Woche loslegen konnte. Das Haimer Face Shield Model 1 besteht abgesehen vom Visier aus zwei Teilen: dem Visierhalter und dem Kopfträger. Überzeugend ist die ergonomische Ausführung.

Erste Bemusterung

Ende Mai fand die erste Bemusterung statt, der finale Verbesserungen folgten. Für die Produktion der ersten 1.000 Teile stellte Deckerform sein „Technikum“ zur Verfügung, eine Halle, in der sich fünf betriebsbereite Toyo-Spritzgießmaschinen mit Schließkräften zwischen 50 und 1.300 Tonnen befinden.

Für die Montage und Konfektionierung ist Haimer zuständig, ebenso für die zukünftige Serienproduktion auf den hauseigenen Maschinen. Deren Automatisierung übernimmt wiederum Deckerform. Schließlich verfügt das Unternehmen diesbezüglich über viel Erfahrung und hat zudem die passenden Komponenten im Produktprogramm.

Die ersten Produkte werden seit Anfang Juni ausgeliefert. Sie gehen als Spende und „kleines Dankeschön“ an die Krankenhäuser in Aichach und Friedberg sowie an weitere Pflegeeinrichtungen. Seit Mitte Juni ist das Face Shield auch für alle Gewerbetreibenden, Industrie, Handwerk und Handel erhältlich.

Quelle: Haimer GmbH

Sie möchten gerne weiterlesen?