Cafmeyer stellt Formwerkzeuge für Pressen her. Je komplexer das Teil, desto vielteiliger die Form. Dabei stieß der belgische Formenbauer manchmal an die Grenzen des Machbaren – sowohl bei der Dimension als auch der Kapazität. Deshalb hat er in das 5-Achs-Bearbeitungszentrum C 650 U mit HS-Flex-Heavy-Automation von Hermle investiert.
Vom flachen Coil zum dreidimensional geformten Profil in mehreren Takten
Jedes Mal, wenn sich die Presse senkt, kommt eine Sicke, eine Aussparung oder ein Falz hinzu. Jedes Mal, wenn sie sich hebt, schiebt sich das scheinbar endlose Metallband ein Stück weiter. Am Ende fällt ein fertiges Profil aus der Pressenlinie – eines pro Takt.
Cafmeyer sorgt dafür, dass alle Blechteile exakt so vom Band kommen, wie es die Konstrukteure gezeichnet haben: Das belgische Unternehmen entwickelt und fertigt Formwerkzeuge in beliebiger Größe – von der Zeichnung bis zum montierten Produkt.
Auf einen Blick
Der Formenbauer Cafmeyer setzt auf ein 5-Achs-BAZ C 650 U mit HS-Flex-Heavy-Automation von Hermle.
Boom in der Coronazeit
Während der Corona-Zeit erlebten die Belgier einen Boom. Denn einige ihrer Werkzeuge formen Regalstreben und -profile, die später in Möbel- und Warenlagern ebenso zu finden sind wie in Privathaushalten. „Die Leute waren zuhause und haben aufgeräumt – dafür kauften sie Regale“, ergänzt Frederik Deneire, Betriebsleiter bei Cafmeyer. Die Energiekrise verlängert diesen Aufschwung, da Cafmeyer auch Formen für die Solarbranche herstellt. Regale und Solartechnik – die beiden Schwerpunkte kommen nicht von ungefähr: Seit 2019 gehört das einstige Familienunternehmen zu Avasco Industries, die unter anderem Regale und Montagegestelle zur Installation von Solarmodulen produzieren.
Die Investmentfirma hinter Avasco, die Vergalle-Gruppe, sicherte sich das Know-how, als Roland Cafmeyer keinen Nachfolger für seinen Betrieb fand. Cafmeyer führte damals den Betrieb in dritter Generation. Sein Großvater fing als Schmied an, sein Vater stieg in die Fräs- und Drehbearbeitung ein und er selbst entwickelte das Unternehmen weiter zum erfolgreichen Formenbauer. Als er in Rente gehen wollte, entschied er sich, sein Unternehmen zu verkaufen.
„Seit der Übernahme passiert hier viel in der Maschinenhalle“, sagt der heutige Geschäftsführer Jan Van Houtte. Der Plan ist, den Maschinenpark zu erneuern und auszubauen. Dabei ist die Möglichkeit einer Automatisierung eines der wichtigsten Entscheidungskriterien für eine bestimmtes Produkt. Ein weiteres ist die Präzision und das maximale Bauteilvolumen, das auf der Anlage Platz hat. „Der Fachkräftemangel ist auch bei uns ein gravierendes Problem. Mit einer Automation können wir dennoch unsere Kapazität erweitern“, erläutert Van Houtte.
2021 investierte Cafmeyer in ein 5-Achs-Bearbeitungszentrum der Maschinenfabrik Berthold Hermle, das nicht nur das erste Kriterium erfüllte, sondern dem Formenbauer ein Alleinstellungsmerkmal verlieh: „In unserem Umfeld gibt es keine zweite Maschine dieser Größenordnung“, sagt Van Houtte. Dadurch konnte Cafmeyer einen Auftrag gewinnen, den er vorher ablehnen musste. „Das komplexeste Teil aus diesem Auftrag ist eine 640 Millimeter lange Achse mit einer 540 Millimeter tiefen exzentrischen Bohrung. Klingt simpel, aber die Exzentrik präzise auf diese Länge zu fertigen, ist eine echte Herausforderung“, erläutert der Geschäftsführer.
Möglich macht das die neue C 650 U, automatisiert mit dem Handlingsystem HS Flex Heavy. 15 Paletten haben im Speicher Platz, die Cafmeyer auch für kleinere Bauteile verwendet. „Wir spannen einfach mehrere Teile auf eine große Palette, so sind wir deutlich effizienter und flexibler“, erklärt Deneire. Die Automation und die Verfahrwege von 1.050 x 900 x 600 Millimeter sind es, die die Verantwortlichen von dem 5-Achs-Bearbeitungszentrum aus Gosheim überzeugte – neben der Präzision.
Die kennen sie schon von der C 400 V, die seit 2016 Teil des Maschinenparks ist. „Eine Form kann je nach Größe aus über 280 Teilen bestehen. Wir stellen jede einzelne Komponente hier in Kortemark her und müssen uns darauf verlassen können, dass die Teile später bei der Montage exakt passen. Dabei sprechen wir von einem Bearbeitungszeitraum von bis zu 16 Wochen“, erklärt Deneire.
Hermle HS-Flex-Heavy-Automation
Das Handlingsysten HS Flex Heavy von Hermle kann an 5-Achs-Bearbeitungszentren der Performance Line C 400 und C 650, aber auch an Modelle der High-Performance-Line C 32 und C 42 adaptiert werden. Das Handlingsystem HS Flex basiert auf mehreren Komponenten, die als komplette Einheit geliefert und adaptiert werden. Lediglich die Werkstückspeichermodule werden vor Ort montiert und justiert. Somit ist die Gesamtinstallation – alle Bearbeitungszentren liefert Hermle ebenfalls fertig montiert – in sehr kurzer Zeit möglich und der Anwender kann schnell mit den Bearbeitungen beginnen.
Auch wenn die C 650 U seit rund einem Jahr in Betrieb ist, seien die Bediener noch nicht geübt genug, um die neue Kapazität voll auszureizen. „Steht jedoch die Option im Raum, die C 650 U zu nutzen, fällt die Wahl immer auf die 5-Achs-Maschine“, betont Deneire.
Was hemmt den Ablauf? „Der schwierigste Teil sind die zusätzlichen Achsen, verglichen mit der C 400 V. Wir sind erst vor kurzem in die 5-Achs-Bearbeitung eingestiegen, und es erfordert noch einiges an Umdenken. Allerdings haben wir auch festgestellt, dass wir Teile schneller herstellen und völlig neue Bearbeitungsprozesse fahren können als auf unserer 3-Achs-Maschine“, ergänzt der Betriebsleiter. So ersetze die neue Hermle beispielsweise einen Fertigungsschritt an der Funkerodiermaschine – und reduziert damit die Bearbeitungszeit von 40 auf 5 Stunden.
Mit der Automatisierung haben sich die Bediener dagegen schnell zurechtgefunden, auch wenn es ein völlig neues Konzept für Cafmeyer war. Gleiches gilt für die Heidenhain-Steuerung, die sie im Prinzip schon von der vorhandenen Hermle kennen. „Wir hatten insgesamt acht Tage Schulung: vier direkt nach der Installation und vier weitere wenige Wochen später, nachdem sich die Bediener an der C 650 U und in das HS Flex Heavy etwas eingearbeitet haben“, erzählt Deneire. Seitdem machen die Mitarbeiter weiter Fortschritte und lernen, ihrer Programmierung und der Maschine zu vertrauen. Kommt es dann doch mal zum Crash von Werkzeug und Werkstück, beruhigt Van Houtte die Tatsache, dass Hermle seine Spindeln mit Stauchhülsen vor größerem Schaden und damit längerem Maschinenstillstand bewahrt.
Aktuell nutzt Cafmeyer die C 650 U vor allem für den eigenen Formenbau. In Zukunft sollen auf ihr auch Frästeile für andere Unternehmen entstehen. „Die C 650 U eröffnet uns neue Möglichkeiten. Und Hermle hat unseren Anspruch an andere Lieferanten in puncto Service deutlich steigen lassen“, erklärt Deneire abschließend, der, bis er im Februar 2021 zu Cafmeyer kam, noch nie mit Hermle zusammengearbeitet hat.
Quelle: Maschinenfabrik Berthold Hermle AG
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