Im Jahr 2012 ist die deutsche Wirtschaft nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes um 0,7 Prozent gewachsen. Der relativ niedrige Wert erklärt sich damit, dass sich viele Unternehmen wegen der hohen Unsicherheit in Bezug auf die Folgen der Euro- und der Schuldenkrise im vergangenen Jahr mit Investitionen zurückgehalten haben. Und auch die deutschen Exporte wurden von einer schwachen Nachfrage speziell aus den Krisenländern des Euroraums gedämpft. Allerdings ebbt die Unsicherheit nach Einschätzung des DIW Berlin mittlerweile deutlich ab, und vor allem die Weltkonjunktur zieht allmählich an. „Seit Mitte vergangenen Jahres hat es die Politik geschafft, die Unsicherheit in Europa etwas in den Griff zu bekommen“, bewertet Ferdinand Fichtner, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die politischen Bemühungen um eine Stabilisierung der Finanzmärkte insgesamt positiv. „In den vergangenen Wochen und Monaten wurden zwar keine großen Fortschritte mehr gemacht. Trotzdem sind die Bedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr besser als 2012.“
Meine Meinung
Die Erwartungen an das Jahr 2013 sind positiv – auch wenn jetzt keine exorbitanten Steigerungsraten zu erwarten sind, bewegt sich die Auftragslage im Allgemeinen doch auf recht anständigem Niveau. Einbrüche sind auch nicht zu erwarten, im Gegenteil: In den kommenden Jahren werden weitere konjunkturelle Aufwärtsbewegungen erwartet. Da passt einfach nicht ins Bild, wie so mancher Konzern mit seinen Zulieferern umspringt. Der Standort Deutschland lebt von nachhaltigen Lieferbeziehungen. Wer jetzt seine Partner unnötig unter Druck setzt, kann nicht erwarten, dass sie ihm die Stange halten, wenn es wieder einmal enger wird. Da hat wohl mancher aus der letzten Krise nichts gelernt.
Richard Pergler, Redaktion fertigung
Wegen der niedrigen Zinsen werden die Unternehmen in diesem Jahr wohl wieder in der Lage sein, kräftig zu investieren, und auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird nach Einschätzung der Berliner Konjunkturforscher insgesamt robust bleiben. Zudem steigen die Löhne weiter kräftig, was insgesamt einen dynamischen privaten Verbrauch ermöglicht. „Nach einem schwachen Winterhalbjahr dürfte die deutsche Wirtschaft also bald wieder spürbar Fahrt aufnehmen“, fasst Fichtner die insgesamt günstigen Aussichten zusammen.
Positive Konjunkturindikatoren
Ob ifo-Index oder ZEW-Barometer – die wichtigen Konjunkturindikatoren für Deutschland werden positiv gesehen. Deutschland hat es offenbar geschafft, sich weitestgehend von der Krise im übrigen Europa abzukoppeln. Und die meisten Deutschen sind offenkundig der Meinung, dass das auch in diesem Jahr wieder gelingt, wenn sich schon nicht die Eurokrise selbst in naher Zukunft bewältigen lässt.
Die positive Stimmung ist auch in den Betrieben zu spüren. In einer nicht repräsentativen Trend-Umfrage unserer Zeitschrift unter 60 Zulieferunternehmen erwarten drei Viertel der Befragten für 2013 eine Entwicklung, die so gut ist wie 2012 oder sogar besser. Die letzte Krise scheint nur noch ein ferner Schatten, der Blick ist optimistisch nach vorn gerichtet. Die Delle von 2009 konnte inzwischen in den meisten Unternehmen kompensiert werden.
„Die Aufholjagd im deutschen Maschinen- und Anlagenbau konnte 2012 in nur drei Jahren erfolgreich beendet werden“, erklärte beispielsweise VDMA-Präsident Thomas Lindner anlässlich der Jahrespressekonferenz des Verbandes in Frankfurt am Main. „Mit einem geschätzten Zuwachs von real zwei Prozent und einem Produktionswert von 196 Mrd. Euro hat die deutsche Maschinenbau-Industrie das Rekordniveau von 2008 wieder erreicht. Der Umsatz liegt mit rund 209 Mrd. Euro sogar eine Milliarde über dem Jahreswert 2008. Insgesamt ist das Jahr 2012 für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau jedoch deutlich besser gelaufen als noch im Frühjahr erwartet.“ Die Kapazitätsauslastung lag im Oktober 2012 bei 84,6 Prozent.
Auch in der Teilbranche der Präzisionswerkzeughersteller herrscht Optimismus: „Nach dem Rekordjahr 2012 erwarten wir für die kommenden elf Monate eine stabile Geschäftslage“, erklärt Lothar Horn, Vorsitzender des Fachverbands Präzisionswerkzeuge im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA). „Große Ausschläge nach oben oder unten zeichnen sich bislang nicht ab.“
Im Jahr 2012 konnten die deutschen Werkzeughersteller mit 8,8 Milliarden Euro wieder einen Umsatzrekord aufstellen und verzeichnen ein Plus von sechs Prozent gegenüber 2011. Die Präzisionswerkzeug-Branche profitierte im vergangenen Jahr insbesondere von der weltweit gestiegenen Automobilproduktion, die 2012 um sieben Prozent zulegen konnte, und von der positiven Entwicklung im Maschinenbau, der seinen Umsatz um rund vier Prozent steigerte.
Auf einen Blick
Linked Business, Ramp Up Fee & Co.
Das Arsenal der Automotive-Einkäufer ist wieder einmal um ein paar Folterwerkzeuge angewachsen. „Linked Business“ etwa ist ein Modell eines großen Automobilherstellers: Wer dort als bestehender Lieferant einen neuen Auftrag platzieren will, muss es sich gefallen lassen, dass bei bereits laufenden Altverträgen über die sowieso schon vereinbarten standardgemäß fixierten jährlichen Preisreduzierungen hinaus zusätzliche Preisabschläge zu gewähren sind. Wie hoch diese Abschläge sind und wie weit die Lieferanten das mitmachen, scheinen die Einkäufer gerade auszuloten – Lieferanten berichten von sehr unterschiedlichen Prozentsätzen in den Verhandlungen. Ein anderes Modell, das ein sehr großer Player der Automotive-Branche derzeit austestet, verlangt, dass der Auftragnehmer bei Erteilung eines Auftrags Cash auf den Tisch des Hauses legt. Würde dieses Geld in die Taschen des Einkäufers fließen, würde man es „Korruption“ nennen. Da das Geld aber in die Kassen des Unternehmens fließt (was übrigens durchaus legal ist), bekommt es den klangvollen neudeutschen Namen „Ramp Up Fee“. Andere Einkäufer knebeln ihre Zulieferer mit immer längeren Zahlungszielen – inzwischen sind 60 Tage weit verbreitet, bis 120 Tage lassen sich die Konzerne Zeit mit der Bezahlung und schaffen sich auf Kosten ihrer Lieferanten Liquidität. Konsequenz solcher Methoden: So mancher gute und innovative Zulieferer, der es sich leisten kann, kehrt der Automobilbranche den Rücken. Auf Dauer.
Differenzierter sieht das Bild bei den klassischen Zulieferern aus. Die Drehteilehersteller im Verband der Deutschen Drehteile-Industrie etwa, die konjunkturelle Entwicklungen mit am schnellsten in der Branche zu spüren bekommen, verzeichnen zwar überwiegend noch volle Auftragsbücher. „Was wir jedoch feststellen müssen, ist ein Rückgang der Anfragen“, erklärt Werner Liebmann, Geschäftsführer des Verbands. „Das ist erfahrungsgemäß ein verlässlicher Frühindikator für die Entwicklung der Auftragseingänge. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist, dass sich die durchschnittliche Frist für Abrufe bei bestehenden Aufträgen inzwischen immer weiter verlängert hat.“
Als Ärgernis wird das Verhalten vieler Einkäufer empfunden: „Die Preisverhandlungen speziell im Automotive-Sektor haben deutlich an Schärfe und Aggressivität gewonnen, man testet aus, wo bei den Zulieferern die Schmerzgrenzen liegen“, beobachtet Liebmann. „Mit partnerschaftlichem Verhalten oder nachhaltiger Entwicklung hat dieses Vorgehen der OEMs wenig zu tun – man hat offenbar aus der letzten Krise nichts gelernt.“
Zum Teil laufen diese oft wenig seriös erscheinenden Ansätze auch ins Leere. Denn einen deutlichen konjunkturellen Rückgang oder gar einen Absturz auf breiter Front mit einem starken Einbruch der Nachfrage, der deutliche Preissenkungen rechtfertigen könnte, sehen die Drehteilehersteller weder kurz- noch mittelfristig.
Gelegenheit zur Konsolidierung
Das Jahr 2013 wird in den meisten Unternehmen so geplant wie 2012: „Das bedeutet, dass wir von einem Nullwachstum oder einem leichten Rückgang ausgehen“, erklärt Liebmann. „Das Gros der Betriebe geht von einem Rückgang zwischen 0 und 10 Prozent aus. Erwartet wird, dass das Jahr 2013 etwas ruhiger laufen wird als 2012.“ Darüber sind die Unternehmen übrigens gar nicht so traurig: „Wir haben die sehr starken Zuwächse in den Jahren 2010 und 2011 in den meisten Unternehmen zwar noch sehr gut bewältigen können“, erklärt Liebmann. „Auf Dauer sind sehr hohe Wachstumsraten nämlich auch nicht gut – jetzt ist die Zeit vorhanden, dass wir uns konsolidieren können. Und wir sind gut beraten, diese Chance auch für unsere Unternehmen zu nutzen.“
Auch bei den Werkzeug- und Formenbauunternehmen ist die aktuelle Auftragslage gut: „Die Unternehmen sind größtenteils ausgelastet, der Trend in den Mitgliedsbetrieben geht klar dahin, Teilbereiche von Aufträgen an andere abzugeben“, erklärt Heiko Semrau, Geschäftsstellenleiter beim Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF). „In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr lokal Cluster gebildet, die diesen Austausch aktiv betreiben.“ Hier macht sich auch die Arbeit der Verbände positiv bemerkbar, die diese Vernetzung fördern und an vielen Stellen erst ermöglicht haben. Die Stimmung in den Unternehmen der Werkzeug- und Formenbaubranche ist gut. „Seit der Fakuma habe ich keine Klagen mehr gehört“, erklärt Semrau. „Wer über Alleinstellungsmerkmale verfügt und anspruchsvollere Werkzeuge baut, kann oft auch gute Preise verlangen. Wir beobachten allerdings mit Sorge den Trend, dass die Zahlungsziele immer länger werden.“ Verkehrte Welt – hier lassen sich die großen Konzerne von den kleinen Werkzeug- und Formenbauern finanzieren. Besonders fatal, da die Werkzeug- und Formenbauer nicht über die Marktmacht verfügen, ihrerseits ihren Lieferanten längere Zahlungsziele aufzuzwingen. „Aber alles in allem: Die Stimmung für das Jahr 2013 ist positiv“, erklärt Semrau. „Wir gehen definitiv sehr zuversichtlich ins neue Jahr.“