
Herr Schröter, MCU wurde 2005 gegründet und kooperiert schon heute mit nahezu allen namhaften Maschinenbauunternehmen und der Fertigungsindustrie. Wie war das trotz des starken Wettbewerbs in dieser relativ kurzen Zeit möglich?
Uwe Schröter: Es gab 2005 tatsächlich in diesem Bereich schon etliche Anbieter, die alle eines gemeinsam hatten: Die Bedienung der Systeme war sehr komplex und aufwändig. Zu dieser Zeit hatten wir aber einen potenziellen Kunden, der für ein weiterführendes Gespräch mit uns ein System voraussetzte, das mit nur drei Tasten zu bedienen ist. Das haben wir entwickelt und von Beginn an zu unserem Alleinstellungsmerkmal gemacht.
Martin Dowe: Eine weitere Idee zu dem System entstand allerdings auch aus der Tatsache, dass die Zerspanung kein konstanter Prozess ist, sondern es hier zu starken und auch unterschiedlichen Schwankungen kommt. Konkret meine ich damit, in der Praxis hat man weniger oder mehr Aufmaß, es werden harte oder weiche Materialien bearbeitet. Selbst bei homogenen Werkstoffen kommt es zu Schwankungen, die aus Werkzeugverschleiß, unterschiedlichen Temperaturen, Kühlmittel oder dem Maschinenaufbau resultieren. Genau da lag das Problem für den Anwender. Es waren immer Momentaufnahmen verfügbar. Der Vorteil von Toolinspect liegt deshalb mit darin, dass wir Prozesshistorien speichern können. So lässt sich sehr detailliert beobachten, wie sich ein Prozess entwickelt hat. Im Gegensatz zu anderen Systemen ist das mit dem Toolinspect selbst über mehrere Stunden möglich. Das Know-how liegt allerdings auch in der Datenreduzierung. Das heißt, wir mussten die Masse an Daten wie Schwankungsbreiten und Kurvenformen mit einem relativ kleinen Prozessor verarbeiten, um die Grenzen automatisiert zu setzen.
Heißt das, Toolinspect ist ein System, mit dem neben der Werkzeugüberwachung zusätzlich eine Prozessanalyse über mehrere Stunden möglich wird? Und wie definiert man damit Grenzwerte?
Martin Dowe: Das ist richtig. Wir definieren Toolinspect als Werkzeugüberwachung mit Prozessanalyse. Zu den angesprochenen Grenzwerten: Bei herkömmlichen Systemen muss man Grenzwerte oftmals manuell einstellen. Kommt es zu Schwankungen, führt das unweigerlich zu Problemen. Mit Toolinspect geschieht das automatisch.
Das ist eine Fülle an Alleinstellungsmerkmalen. Woraus entstehen die Ideen für solche Entwicklungen?
Uwe Schröter: Wir stehen kontinuierlich in enger Verbindung mit den Maschinenherstellern bzw. den Anwendern und setzen uns intensiv und konsequent mit deren Anforderungen auseinander. Das ist sicher auch ein Teil unseres Erfolges. Ein großer Automobilzulieferer hatte beim Maschinenhersteller zum Beispiel den Einsatz unseres Systems zur Bedingung gemacht. Toolinspect wurde eingebaut und hat problemlos funktioniert. Selbst die Maschinenabnahme ging sehr rasch. Deshalb hat sich der Maschinenhersteller Gedanken über eine intensive Zusammenarbeit mit uns gemacht. Mittlerweile kooperieren wir in diesem Bereich mit nahezu allen namhaften Unternehmen und wissen so häufig gar nicht, bei welchem Anwender Toolinspect eingesetzt wird. Für gewöhnlich ist es für uns aber fast schon Routine, gemeinsam mit dem Anwender an seinem Prozess zu arbeiten und die Systeme entsprechend auszulegen.
„Wir definieren Toolinspect als Werkzeugüberwachung mit Prozessanalyse.“
Martin Dowe, MCU GmbH
Gibt es denn seitens der Anwender und Maschinenhersteller unterschiedliche Anforderungen?
Uwe Schröter: Die Maschinenhersteller sind gewöhnlich nicht an solch einer Überwachung interessiert, denn es geht ja darum, Maschinen zu verkaufen. Man möchte so natürlich Probleme bei der Abnahme vermeiden. Das ist verständlich, weil man hier auch schon schlechte Erfahrungen gemacht hat. Da werden teilweise Dinge versprochen, die nicht einzuhalten sind. Bei den Anwendern dagegen geht es meist darum, so viel und so einfach wie möglich zu überwachen.

Das neue Gerät Toolinspect II mit erweitertem Analyse Tools und der nochmals vereinfachten Bedienung.
Wie aufgeklärt sind die Anwender und Maschinenhersteller, was derartige Überwachungssysteme angeht?
Uwe Schröter: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt bei den Anwendern Mitarbeiter, die sind sehr interessiert und so auch sehr tief in der Materie. Andere wollen nur, dass es läuft. Meine Erfahrungen haben aber gezeigt, dass ältere Mitarbeiter auf Grund der Erfahrungen besser aufgeklärt sind. Allerdings bezieht sich das mehr auf die Anwendung als auf die Funktionsweise der Systeme. Bei den Maschinenherstellern wissen die Techniker meist, was Sache ist, der Vertrieb beschränkt sich da häufig auf den Nutzen.
Im Profil
Toolinspect Digital von MCU
Toolinspect ist kompatibel mit verschiedenen CNC-Steuerungen wie Bosch, BoschRexroth, Fanuc, Heidenhain, Indramat und der Siemens 840D / 840Dsl / 828D Steuerung. Die Antriebsdaten werden aus dem Antriebsbus ausgelesen und über eine Feldbusschnittstelle wie zum Beispiel: Profibus oder Profinet oder Modbus an die Prozess- und Werkzeugüberwachung, „Toolinspect-Modul“ übertragen. Die Toolinspect-Box kommuniziert mit der Siemens 840Dsl Steuerung über die Profibus-DP oder Profinet-Schnittstelle und über Analogsignale.
Worauf muss man denn nun achten, wenn man in ein Überwachungssystem investiert?
Uwe Schröter: Zunächst sollte es von jedem relevanten Mitarbeiter bedient werden können, sich zudem automatisch dem Prozess anpassen, und man darf die Folgekosten durch Schulungsbedarf und die Zeit für die Inbetriebnahme nicht außer Acht lassen. Sinnvoll ist freilich auch ein System, das auf allen gängigen Steuerungen wie Siemens, Fanuc, Bosch Rexroth und Heidenhain läuft. Das macht auch für die Instandhaltung Sinn.
Lässt sich Toolinspect auch in vorhandenen Maschinen bzw. bei einem Retrofitting einsetzen?
Uwe Schröter: Ja, selbstverständlich. Die Anforderung kommt vom Anwender an das Retrofit-Unternehmen. Meist werden in solche Fertigungsanlagen ja auch neue Steuerungen integriert. So ist das für uns kein Problem.
Nun hört man aber doch auch immer wieder von Problemen mit Überwachungssystemen?
Martin Dowe: Leider ja, die sind aber unterschiedlicher Natur. Kommt es beispielsweise zu einem Bruch, wird das häufig auf falsche Einstellungen der Grenzen zurückgeführt. Das manuelle Einstellen hat aber den Nachteil, dass es heute funktioniert und durch die Dynamik nächste Woche schon völlig anders sein kann. Bei Toolinspect erfolgt das automatisch. Damit sind wir natürlich in der Schusslinie, wenn etwas passieren würde.
„Sinnvoll ist es, wenn das System auf allen gängigen Steuerungen läuft.“
Uwe Schröter, MCU GmbH
Warum lässt sich solch ein System denn nicht auch bei Losgröße 1 einsetzen?
Martin Dowe: Grundsätzlich machen wir ja nur Vergleichsmessungen des Drehmoments und der Vorschubkraft. Wir nehmen also diese Kurven für ein Werkstück auf und gleichen das mit dem folgenden Werkstück ab. Unsere neuen Entwicklungen beschäftigen sich allerdings schon damit, Methoden zu finden, eine Überwachung für Losgröße 1 zu entwickeln, denn da reicht das Drehmoment und die Vorschubkraft nicht. Wir brauchen zusätzliche Größen. So haben wir für die nächsten Generationen unter anderem einen Beschleunigungssensor vorgesehen, der beispielsweise ein Rattern der Maschine registriert. Mit solchen Signalen lassen sich Anomalien einwandfrei feststellen. Losgröße 1 ist technologisch sicher eine Herausforderung, aber sehr interessant, wenn man an große Maschinen im Formenbau oder der Verzahnungstechnik denkt. Die Werkstücke sind hier ja meist sehr kostenintensiv.
Steckt noch weiteres Entwicklungspotenzial in solchen Systemen?
Martin Dowe: Ja, das tut es. Wir sind zum Beispiel derzeit dabei, das System um ein Prozessanalysetool zu erweitern. Damit sollen Daten direkt von der Fertigung eingelesen werden. Die Idee dahinter ist, dass man damit Alarme analysiert, untersucht, ob sich ein Störfall angebahnt hat etc. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich dann gezielt Optimierungsmaßnahmen ableiten. In einem konkreten Fall kam es beispielsweise häufig zu einem Bohrerbruch. Über die Prozessanalyse ließ sich feststellen, dass dies immer an einer Verschneidung geschah. So hat man den Bohrzyklus geändert, das führt zu keinem Bruch mehr, und man ist bei den Taktzeiten sogar schneller geworden.