„Für einen reibungslosen Produktionsablauf ist es den meisten Anwendern in der Regel wichtiger, pünktlich verläss-
liche Werkzeuge zu bekommen, als 
einige Euro zu sparen.“
Wilfried Saxler, FDPW

„Für einen reibungslosen Produktionsablauf ist es den meisten Anwendern in der Regel wichtiger, pünktlich verläss-
liche Werkzeuge zu bekommen, als
einige Euro zu sparen.“
Wilfried Saxler, FDPW (Bild: FDPW)

Wilfried Saxler, Geschäftsführer des Fachverbands Deutscher Präzisionswerkzeugschleifer (FDPW), im Gespräch mit fertigung-Chefredakteur Richard Pergler über aktuelle Trends und Entwicklungen in der Branche

Professor Saxler, wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für die Werkzeugschleifereien?
Wilfried Saxler: Große Chancen sehe ich in der Spezialisierung auf die Herstellung von Sonderwerkzeugen. Unsere Werkezugschleifbetriebe können schnell reagieren, bedienen den Kunden mit kurzen Lieferzeiten, haben einen Hol- und Bringservice. Zunehmend werden Anwendungstechniker eingesetzt, die beim Kunden vor Ort für technologische und technische Fragen Rede und Antwort stehen können. Genau hier sehe ich das größte Potenzial. Diese Leute sind zwar teuer, aber dank ihrer Kompetenz bringen sie Aufträge ins Haus, so dass sich das allemal auszahlt …

…und wo sehen Sie die größten Risiken?
Wilfried Saxler: Risiken verbergen sich immer dort, wo man nach dem Motto „Geiz ist geil“ verfährt. Es gibt einige Dienstleister in unserer Branche, die meinen, dass man mit Dumpingpreisen den Markt erobern muss. Genau das ist absolut falsch. Mein Motto – und das sehen die Gremienvertreter und Vorstände im FDPW allesamt gleich – lautet: „Was nix kostet, das taugt auch nix“. Gute Arbeit muss auch gut bezahlt werden. Besonders im Nachschärfservice und generell bei der Wiederaufbereitung von Zerspanwerkzeugen funktionieren Niedrigpreise nicht. So werden dann beispielsweise zu große Aufmaße abgeschliffen, obwohl das Werkzeug deutlich weniger Verschleiß aufweist, und der Hersteller kann früher ein neues Werkzeug verkaufen. Aber auch die Überschwemmung des Marktes mit Billigwerkzeugen macht uns zu schaffen. Wir müssen uns in Deutschland auf unsere Fachkompetenzen besinnen, diese auf hohem Niveau halten und dürfen uns nicht von Billigprodukten den Markt kaputt machen lassen. Keine leichte Aufgabe. Und dem Kunden, also dem Anwender der Werkzeuge, muss das verständlich gemacht werden.

Wie wird die wirtschaftliche Lage in der Branche wahrgenommen?
Wilfried Saxler: Das vergangene Jahr haben unsere Betriebe wie die gesamte Maschinenbaubranche gute Geschäfte gemacht. Die Umsätze im Jahr 2015 mit Zerspanwerkzeugen für die Metall- und Kunststoffindustrie konnten gegenüber 2014 gesteigert werden. Die geschätzte Steigerung von 3 bis 4 Prozent sind vergleichbar mit den entsprechenden Industrieverbänden des VDMA (Präzisionswerkzeuge und Werkzeugmaschinen). Für 2016 wird die Konjunktur in unserem Sektor auf dem Niveau von 2015 geschätzt. Dies wird unter anderem auch von den Prognosen des allgemeinen Maschinenbaus und im speziellen im produzierenden Gewerbe begründet. Im Maschinenbau sollen 20 000 neue Arbeitsstellen geschaffen werden.

Welchen Einfluss haben etwa Entwicklungen in China und Russland?
Wilfried Saxler: Über die Billigwerkzeuge hatte ich schon gesprochen. Unsere Betriebe können dank Kundennähe schnell sehr individuelle, maßgeschneiderte Werkzeuge anbieten. Bei Lieferzeit und Serviceleistungen sind wir so der chinesischen Billigkonkurrenz weit voraus. Für eine reibungslose Produktion ist es den meisten Anwendern wichtiger, pünktlich verlässliche Werkzeuge zu bekommen, als einige Euro zu sparen. Die Sanktionen gegen Russland betreffen vor allem den ostdeutschen Maschinenbau. Das wirkt sich indirekt auch auf unsere Betriebe dort aus.

Was erwartet uns an neuen Ansätzen auf der GrindTec?
Wilfried Saxler: Auf der GrindTec 2016 werden Neuheiten und Weltpremieren der Schleiftechnik präsentiert. Ich weiß etwa von einer neuen großen Spitzenlos-Schleifmaschine, die wir zu Gesicht bekommen werden. Und das von einem Hersteller, den wir bisher nur von Maschinenüberholungen kennen. Die GrindTec in Augsburg hat sich mittlerweile als Leitmesse der Schleiftechnik etabliert. Dies können wir ohne Zweifel nach 18 Jahren Erfahrung sagen. Daher sind einige technische und technologische Highlights auf der GrindTec zu erwarten. Mit geballter Kompetenz auf dem Sektor Schleif- und Werkzeugschleiftechnik wird sich die Messe auch mit Details präsentieren, die auf großen Allround-Fachmessen der Fertigungstechnik im Allgemeinen meist untergehen. Das ist genau das, was die Besucher an der GrindTec schätzen.

Ist derzeit in den Unternehmen Geld für Investitionen vorhanden?
Wilfried Saxler: Geld ist da. Es wird auch investiert. Zumeist handelt es sich aber um Ersatzbeschaffungen. Eine Vergrößerung oder Erweiterung ist nicht so einfach möglich, weil schlicht das Fachpersonal fehlt. Und für Produkte, die in

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„Die GrindTec in Augsburg hat sich mittlerweile als Leitmesse der Schleiftechnik etabliert.“
Wilfried Saxler, FDPW

größeren Stückzahlen gefertigt werden müssen, steht Automation zur Verfügung, so dass die Maschinen nach dem Einrichten mannlos fahren können. Ausnahmen sind allerdings Maschinen, die eine neue Technologie umfassen und man noch nicht im Hause hat, so zum Beispiel Erodiersysteme für die Herstellung von PKD-bestückten Werkzeugen oder Systeme zur Schneidkantenpräparation. Da unsere Betriebe am Puls der Zeit bleiben müssen, sind trotz Fachkräftemangel Technologieentwicklungen erforderlich und dürfen auch nicht verpasst werden.

Bei den Fachkräften herrscht also immer noch Mangel?
Wilfried Saxler: Ja, Herr Pergler. Der Wettbewerb an Berufsbildern ist immens. Mittlerweile starten 58 Prozent der Schulabgänger ein Studium – bis 2007 waren es noch unter 40 Prozent. Auf der Ausbildungsseite sieht es entsprechend anders aus. Leider wird damit auch die Auswahl an „guten“ Auszubildenden immer kleiner. Das Bemühen um Auszubildende ist bei unseren Betrieben recht hoch. Sie stellen auf Ausbildungsmessen aus. Nicht nur, um das Unternehmen ins richtige Licht zu rücken, sondern auch das Berufsbild. Dazu haben wir die Kampagne „Schärfer geht’s nicht“ ins Leben gerufen. Dabei wurde eine Homepage „ScharfHoch2.de“ mit interessanten Infos rund um den Beruf des Schneidwerkzeugmechanikers und der Schneidwerkzeugmechanikerin entwickelt. Zudem können Unternehmen, die in unserem Handwerk ausbilden wollen, einen Messestand ausleihen. Das kommt echt gut an.

Weshalb sollte jemand Präzisionswerkzeugschleifer werden?
Wilfried Saxler: Das Aufgabengebiet ist abwechslungsreich und aufgrund der hohen Qualitätsansprüche an die Produkte anspruchsvoll. Somit wird es auch nicht langweilig. Unsere Betriebe sind meist klein und bieten eine familiäre Atmosphäre. Technisch und technologisch sind sie dennoch so gut ausgestattet wie Großbetriebe. Die Entscheidungswege sind kürzer, und als Mitarbeiter fällt man auf und ist dem Inhaber persönlich bestens bekannt und nicht nur ein kleines Rädchen im Getriebe.

Gibt es inzwischen auch Frauen in diesem Berufsfeld?
Wilfried Saxler: Na klar – und das ist auch gut so. Unser Berufsbild ist sehr gut für Frauen geeignet, da die Werkstücke meist kein großes Gewicht haben und deshalb im Alltag keine großen körperlichen Anstrengungen vorkommen. Die Arbeitszeiten werden in den meisten Betrieben sehr flexibel und mitarbeiterfreundlich gehandhabt, so dass auch Familie und Beruf gut unter einen Hut zu bringen sind. Das betrifft im Übrigen nicht nur die Frauen.

Wie sehen Sie den Wettbewerb „Werkzeugschleifer des Jahres“?
Wilfried Saxler: Der Wettbewerb ist eine tolle Sache. Ich freue mich jedes Mal darauf. Der Wettbewerb sollte im deutschsprachigen Raum bleiben. Es ist eine Veranstaltung, die das Berufsbild des Schneidwerkzeugmechanikers und der Schneidwerkzeugmechanikerin präsentiert, repräsentiert und fördert. Das System der dualen Ausbildung gibt’s eigentlich nur in Deutschland. Selbst in Europa findet man nicht einmal annähernd ein so gutes (Aus-)Bildungssystem wie hierzulande. Aus diesem Grund empfehle ich der fertigung, die Zielgruppe des Wettbewerbs so zu belassen.

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