Umspannen und Nacharbeit sollen sich möglichst komplett erübrigen
Bei den kürzlich auf der Messe AMB vorgestellten Neuheiten aus dem mikrotechnischen Bereich standen folgende Faktoren im Vordergrund: optimierte Bearbeitungsqualität und Prozesssicherheit sowie möglichst ohne Umspannen und Nacharbeit erzeugte, direkt einsatzfähige Werkstücke – verbunden mit reduzierten Durchlaufzeiten und Kosten. Anspruchsvolle industrielle Bereiche wie die Medizintechnik, Feinmechanik, Optik- und Uhrenindustrie, die oft “problematische” Werkstoffe wie Titan verarbeiten, sind jedoch nicht nur auf besonders leistungsfähige, sondern auch auf möglichst zuverlässige Maschinen und Werkzeuge angewiesen. Die Aussteller der diesjährigen AMB boten beides.
Revolutionäre Steuerung
Die Messebesucher ihrerseits konnten an diversen Ständen die unmittelbare Zukunft der Mikrobearbeitung live unter Span erleben. So stellte beispielsweise Datron erstmalig seine HSC-Fräsmaschine Datron neo mit “revolutionärer” Steuerung vor. Das System ist mit 800/1300/1900 mm (B/T/H) so kompakt, dass es durch jede Standardtür passt. Das “Allroundtalent” für die Herstellung von Einzelteilen und kleinen Stückzahlen bearbeitet insbesondere Aluminium, NE-Metalle, Kunst- sowie Verbundstoffe. Mit seiner Hochfrequenz-Bearbeitungsspindel erzeugt es mit kleinen Werkzeugen qualitativ hochwertige Oberflächen und extrem filigrane Gravur-Details. Doch die Hauptneuigkeit war eine andere: “Mit der Datron neo bringen wir das Smartphone auf die Werkzeugmaschine”, postulierte Anwendungstechniker Alexander Helm. “Nie war Fräsen einfacher!” Basierend auf dem Plug-&-play-Prinzip, sollen selbst weniger erfahrene Bediener und HSC-Einsteiger die 3-Achsen-Fräsmaschine auf Anhieb über die neue, leicht verständliche Software Datron next steuern können.
Einfache Bedienung
Die Bedienung per bekannten Wischgesten soll das Fräsen fast so einfach machen wie das Bedienen eines Smartphones. Mittels Assistenten-Funktionalität und integrierter Kamera wird der Bediener in wenigen Schritten durch das Fräsprogramm geleitet und von selbsterklärenden Icons und realitätsnahen, in 3D dargestellten Werkzeugen, Bauteilen und dergleichen bei einer schnellen Identifizierung diverser Funktionen unterstützt. “Das Highlight ist die Kombination aus der Kamera im Innenraum mit dem sensitiven Multi-Touch-Display”, merkte Alexander Helm an. Der Anwender misst sein Werkstück per Wischgeste ein, so dass eine zeitaufwendige manuelle Eingabe komplexer numerischer Daten entfällt. Anschließend wird ihm der Fräsvorgang in einer 3D-Simulation veranschaulicht, um etwaige Korrekturen vorzunehmen. Nach der sekundenschnellen Einrichtung des Teils kann die Bearbeitung beginnen.
Neue Maßstäbe in der Fertigung von Kleinteilen, etwa für die feinmechanische Industrie, soll die Ultrapräzisions-Fräsmaschine UPF von Lehmann Präzision setzen. Das mit hochmoderner Technik versehene System besitzt einen Aufbau aus Naturhartgestein, was den Temperaturgang und damit Vibrationen durch die Masse des Materials minimiert. Es verfügt über eine verschleiß- und wartungsfreie luftgelagerte Hochfrequenzspindel mit Drehzahlen bis 80000 min-1 sowie die Heidenhain-Steuerung TNC640. Neu ist der Einsatz von sehr leichtem, aber hochstabilem CFK für sich bewegende Teile wie den Spindelhalter. Die Qualität des Aufbaus und der eingesetzten Komponenten ermöglichen eine Wiederholgenauigkeit von < 0,001 mm sowie maximierte Bearbeitungsqualität und Prozesssicherheit in der Einzelteilfertigung sowie in der mehrschichtigen Serienfertigung. Die Maschine kann trocken, mit Minimalmengenschmierung oder in Öl fräsen. Es steht ein Werkzeugwechsler zur Verfügung, der bis zu 200 HSK-25-Werkzeuge bevorraten kann. Für hohe Ansprüche hinsichtlich Autonomie und Flexibilität ist ein Werkstück-Palettiersystem erhältlich. Anlässlich der AMB feierte das fünfachsige Bearbeitungszentrum s181 der Starrag-Tochter Bumotec Deutschland-Premiere. “Die komplett eigenentwickelte Maschine ist auf Basis des CNC-Dreh-/Fräszentrums s191 Linear entstanden”, berichtete Regionalverkaufsleiter Michael Paulus. “Dieses hat sich bei der sechsseitigen Komplettbearbeitung mit spielfreier, wiederholbarer Präzision im Mikrometer-bereich bewährt.” Die s181 mit Rücknahme-Einheit ist für die Komplettbearbeitung komplexer, hochpräziser Werkstücke in Bereichen wie Medizintechnik, Uhrenindustrie und Feinmechanik konzipiert. Mit ihrer HSK-40-Werkzeugspindel mit einer Maximaldrehzahl von 30.000 min-1 ist sie ausgelegt für die Fertigung sehr kleiner Bauteile – entweder einzeln oder ab Stange mit einem Maximaldurchmesser von 32 mm. Mit 3,5 m² benötigt sie eine um 30 Prozent kleinere Stellfläche als die s191 – bei vergleichbarer Leistung. Trotz ihrer Kompaktheit lassen sich bis zu 90 Werkzeuge im Magazin unterbringen. “Dank zahlreicher Optionen kann der Kunde seine s181 ganz nach Bedarf konfigurieren”, führt Michael Paulus aus. “Zu den bereits erhältlichen Optionen zählt eine zweite Arbeitsstation, mit der sich die Produktivität um bis zu 40 Prozent steigern lässt.” Optional kann ein Teil auf der Rücknahmeeinheit mit bis zu fünf angetriebenen Werkzeugen bearbeitet werden, während die Frässpindel auf der Hauptseite zerspant. Der Clou auch dieser Bumotec-Entwicklung ist das integrierte Multifunktionskonzept, die Kombination vieler Operationen in einem einzelnen Bearbeitungszyklus.
Auf einen Blick
Weltweit kleinstes Hydrodehnspannfutter
Auch beim Spannen gibt es Neues im mikrotechnischen Bereich. So hat der Präzisionswerkzeugspezialist Big Kaiser sein breites Angebot an Super-slim-Hydrodehnspannfuttern um das weltweit kleinste Hydrodehnspannfutter für Maschinenspindeln der Größe HSK-E25 erweitert. CEO Peter Elmer erläutert: “Diese extrem präzisen Spannfutter mit ihrem sehr schlanken Design eignen sich besonders für hochpräzises Schlichtfräsen an Spindeln mit hoher Drehzahl und Maschinen mit kleinem Arbeitsbereich.” Die Super-slim-Futter bieten eine geringe Rundlaufabweichung von 0,003 mm bei 5 × D. Sie sind die passenden Werkzeughalter für Präzisionsbearbeitungsprozesse mit Bohrern, Kugel- und Schaftfräsern, Reib- und Diamantreibahlen sowie Schleifwerkzeugen in beengten Bereichen. “Mit ihren variablen Einspanndurchmessern und Längen eignen sie sich für fast alle Anwendungen in Medizintechnik und Formenbau sowie Automobil- und Luftfahrtindustrie”, merkt Peter Elmer an. Die Spannfutter können Schneidwerkzeuge mit einem Schaftdurchmesser ab 3 mm ohne Reduzierhülse direkt aufnehmen. Für einen Spanndurchmesser von 3 mm beträgt der Außendurchmesser an der Mündung nur 14 mm und vergrößert sich auf einer Länge von 90 mm auf lediglich 25 mm Durchmesser. Störkonturen bilden keine Hindernisse mehr. Zum Spannen und Lösen der Futter ist nur ein Schraubenschlüssel erforderlich.
High-End-Anwendungen
Für High-End-Anwendungen in Bereichen wie Medizintechnik, optischer Industrie, Werkzeug- und Formenbau, Stanzwerkzeugbau sowie Automotive ist das vertikale Mikro-Bearbeitungszentrum iQ500 von Makino konzipiert. Das Konzept des in allen Achsen durch spezielle Linearmotoren angetrieben Systems zielt darauf ab, manuelle Nacharbeit komplett zu eliminieren. “Die Teile kommen einsatzfähig direkt von der Maschine – einpassen, angleichen, touchieren und polieren erübrigen sich”, erklärte Joachim Herberger, Geschäftsführer Kontinental-Europa. “Diese Prozesssicherheit in Verbindung mit einer hohen Bearbeitungsqualität reduziert Durchlaufzeiten, sichert die Liefertreue und macht die Kosten kalkulierbar.”
Der Anwender kann sicher und schnell bei geringem Werkzeugverschleiß im Ultrapräzisionsbereich fräsen, bohren und schleifen. Insbesondere für optische Anwendungen lässt sich mit einer speziellen Technik, dem “Mirror Surface Finishing”, Spiegelglanz Ra < 1 nm erzielen und somit jegliche manuelle Polierarbeit vermeiden – mit dem entsprechenden Gewinn an Prozesssicherheit und Genauigkeit. Auch Hartmetalle können prozessstabil bearbeitet werden. Im Bereich des hochgenauen Schnittwerkzeugbaus ersetzt die iQ500 die sonst hierfür verwendeten Koordinatenschleifmaschinen. Mit der optionalen "i-chopping"-Funktion ist auch das Pendelhubschleifen zu substituieren. Die kerngekühlte Frässpindel bleibt bei Drehzahlen bis 45.000 min-1 sehr temperaturstabil und vibrationsarm – auch bei sonst kritischen Langzeitbearbeitungen. Optional lässt sich die iQ500 mit bis zu drei Luftturbinen ausstatten, die Drehzahlen von 80.000 oder 120.000 min-1 ermöglichen und automatisch sowie ohne Wechselfehler ein- und ausgewechselt werden können. Die HSK-E32-Aufnahme kann Werkzeuge von 12 mm bis hinunter zu 0,03 mm aufnehmen.
Tools für die Mikrobearbeitung
Auch bei den Präzisionswerkzeugen für die Mikrobearbeitung waren die Entwickler aktiv, so dass diverse Hersteller in Stuttgart echte Neuheiten präsentieren konnten. Ein Beispiel ist der Schweizer Werkzeugspezialist Mikron Tool, der seine Palette für das Bearbeiten rostfreier Materialien ausgeweitet hat. Diese Werkstoffe zeichnen sich nicht gerade durch anwenderfreundliches Verhalten aus: Sie sind zäh-elastisch, die Wärmeleitfähigkeit ist schlecht, und es entstehen lange Späne. Das zentrale Thema für eine effiziente Lösung ist die Kühlung. Bereits im Markt eingeführt ist eine Familie von Kleinbohrern im Durchmesserbereich bis 2 mm sowie zylindrische Kleinfräser von 0,3 bis 6 mm. Die Palette erweitert sich nun um Bohr- und Fräswerkzeuge, die dem Anwender neue Möglichkeiten bieten sollen, denn Fakt ist: Rostfreie Stähle, Titan, hitzebeständige Legierungen oder Chrom/Kobalt-Legierungen in kleinen Dimensionen schnell und prozesssicher zu bearbeiten, bereitet so manchem Zerspaner Kopfschmerzen. Abhilfe schaffen soll im Durchmesserbereich zwischen 0,3 und 8 mm die neue Werkzeugfamilie CrazyMill Cool.
In Stuttgart erstmals vorgestellt wurde der Hochleistungs-Vollradiusfräser CrazyMill Cool Vollradius. Entwicklungsleiter Alberto Gotti: “Der Hartmetall-Fräser wurde speziell für industrielle Bereiche wie die Medizintechnik entwickelt, wo rostfreie Stähle, Superlegierungen und Chrom/Kobalt-Legierungen an der Tagesordnung und die Herausforderungen entsprechend hoch sind.” Seine Hauptcharakteristika sind eine auf zäh-elastische Materialien angepasste Geometrie und die im Schaft integrierte Kühlung mit drei bis fünf Kanälen. Er ist erhältlich für maximale Frästiefen bis 5 × D und soll extrem hohe Schneid- und Vorschubgeschwindigkeiten sowie eine Zustellung bis zu 1 × D bieten – je nachdem, ob es ums Schruppen oder ums Schlichten beim Kopier-, Wandungs- und Planfräsen geht. “Im Vergleich zu anderen handelsüblichen Fräswerkzeugen sind 10- bis 15-mal höhere Abtragsraten möglich”, so Gotti.
Eine Spezialität des Westschweizer Präzisionswerkzeugspezialisten Dixi Polytool sind Werkzeuge zur Hochglanzbearbeitung von Nichteisen-Werkstoffen wie Messing, Kupfer und Aluminium sowie von Kunststoffen zur Erzeugung transparenter Flächen. Das Unternehmen stellte im Rahmen der AMB eine komplette Baureihe von Hochglanzfräsköpfen und diamantbestückten Schaft-, Stirnradius- und torischen Fräsern vor. Diamantbestückte Radiusfräser werden vor allem im Aluminium-Formenbau erfolgreich eingesetzt “Mit diesen Werkzeugen lässt sich eine Spiegeloberfläche ohne jegliche Nachbearbeitung erzielen und eine hohe Formgenauigkeit erreichen”, erläuterte Rolf Hergert, Geschäftsführer der deutschen Dixi Polytool GmbH. “Die Ursache hierfür liegt in den mit monokristallinem Diamant bestückten Schneiden, deren Kanten je nach Anwendung unter einer 100- bis 500-fachen Vergrößerung absolut ausbruchsfrei geschliffen sind.”
Hochleistungsbohrer
Die Hochleistungsbohrer Phoenix TC2 von Sphinx sollen in zähharten und hochfesten Werkstoffen, zum Beispiel in korrosionsbeständigen Chromstahl- und Superlegierungen sowie Titan, wesentlich prozesssicherer, schneller und genauer bohren als vergleichbare Hartmetallbohrer. Die Mikrobohrer (Durchmesser 1 bis 10 mm) bestehen aus einem besonders feinkörnigen Hartmetallsubstrat. “Ihre speziell geschliffene Spitzengeometrie ist abgestimmt auf zähharte Werkstoffe wie korrosionsfeste Stahllegierungen und Titan”, merkte Anwendungstechniker Manuel Kummer an. “Für hohe Verschleißbeständigkeit sorgt die harte Beschichtung im Kopfbereich.” Durch zwei optimierte Führungsfasen fluchten die Bohrungen bei optimaler Oberflächengüte sehr genau. Blankpolierte Spannuten führen auch zähe, lange Späne zuverlässig ab. Zu optimierter Kühlschmierung tragen die beiden gewendelten Kühlkanäle bei, die das Kühlschmiermittel direkt an die Schneiden führen. So können die Phoenix-TC2-Bohrer auch bei nur 20 bar Kühlmitteldruck – wie an bewährten Maschinen üblich – bis 30 × D Bohrtiefe in einem Ablauf – ohne mehrfaches Entspänen – prozesssicher bohren.
Erweitertes Vargus-Programm
Zur AMB präsentierte Vargus sein deutlich erweitertes Programm an Mikro-Drehwerkzeugen des Typs Microscope. Zum Innendrehen ab 1 mm Bohrungsdurchmesser stehen nunmehr fünf zusätzliche Schneideinsätze zum Ausdrehen, Profilieren und Anfasen zur Verfügung. Die Werkzeuge sind mit einem zylindrischem Schaft (ab Durchmesser 4 mm) ausgeführt. Sie eignen sich somit zum Einsatz in den Standardhaltern des Herstellers, aber auch in einem breiten Spektrum üblicher Werkzeughalter auf Langdrehmaschinen. Zum Ausdrehen stehen Microscope-Schneideinsätze mit einer im Winkel von 20° und 90° angeordneten Schneide zur Verfügung. Varianten mit Schneiden im Winkel von 45° eignen sich zum Anfasen in der Bohrung und auf der Planfläche sowie zum Ausdrehen. Eine spezielle Ausführung mit einer gewinkelten, hinterschliffenen Schneide ist zum Rückwärtsausdrehen ausgelegt. Mit dem Mikro-Innendrehwerkzeug soll sich eine Vielzahl an Bauteilen besonders wirtschaftlich komplett bearbeiten lassen. Das Umspannen, um beispielsweise beidseitig Lagersitze in einer Buchse zu bearbeiten, kann entfallen.