Die Safe-Lock-Werkzeugaufnahmen verhindern zuverlässig, dass die Fräser beim Schruppen aus der Aufnahme gezogen werden. Zusammen mit der sehr hohen Rundlaufgenauigkeit der Schrumpfaufnahmen und der optimalen Späneabfuhr durch das Cool-Flash-System lassen sich nun bei Glätzer höhere Zerspanungsdaten nutzen, was eine deutlich höhere Produktivität zur Folge hat. Zudem stieg die Standzeit der Werkzeuge um 40 Prozent.
Daniel Rautenbach, Geschäftsführer bei Glätzer, bewegt sich mit seinem Unternehmen in Solingen in dem äußerst harten Geschäftsumfeld der Automobilindustrie. Er erläutert: „Perfekte Qualität und absolute Liefertreue sind Grundvoraussetzungen, um überhaupt ein Angebot abgeben zu können – letztlich entscheidet der Preis.“ Dementsprechend gilt auch in der Produktion: Qualität ohne Abstriche ist ein Muss, denn die Effizienz macht letztlich den Unterschied zwischen Gewinn und Verlust.
Zu den Stärken von Glätzer zählt die Bearbeitung komplexer und relativ großer Teile. In diesem Feld hat sich das Unternehmen viel Know-how erarbeitet. Der Vorrichtungsbau ist durch das
auf Sondermaschinen sowie Werkzeug- und Vorrichtungsbau spezialisierte Schwesterunternehmen Knieps quasi inhouse. Früher entfiel ein Großteil des Geschäfts von Glätzer auf relativ große, geschmiedete Scharnierteile für Cabrioverdecke, die aufwendige Aufspannungen benötigen. Doch dieses Geschäftsfeld ist Vergangenheit. Glätzer fertigt aktuell vor allem Teile für Nutzfahrzeuge, unter anderem für Scheibenbremsen. Üblicherweise liegen die Seriengrößen bei 10 000 bis 150 000 Teile pro Jahr, die Glätzer auf sieben nach eigenen Anforderungen maßgeschneiderten 4-Achs-Bearbeitungszentren fertigt.
Auf einen Blick
Schrumpftechnik von Haimer
Herkömmliche Spannzangen- und Weldonfutter stoßen aufgrund mangelnder Rundlaufgenauigkeit bei moderner High-End-Zerspanung an ihre Grenzen. Denn schon kleine Abweichungen führen bei hohen Drehzahlen zu fehlerhaften Fräsergebnissen, minderen Oberflächengüten sowie zu verstärktem Werkzeug- und Spindelverschleiß. Genau hier liegt die besondere Stärke der Schrumpffutter, die dank ihres rotationssymmetrischen Spannkörpers eine hohe Rundlaufgenauigkeit bieten. Bei Haimer-Produkten bewegt sie sich im Bereich von <3 µm – bei einem Schrumpffutter mit einem Werkzeug, dessen Länge etwa den 3-fachen Werkzeugdurchmesser beträgt. Die Haltemomente betragen 20 Nm bei 6 mm Spanndurchmesser und bis zu 800 Nm bei 20 mm Spanndurchmesser. Erreicht wird das unter anderem durch eine enge Passbohrung mit spezieller Einführfase, die das Werkzeug in einem möglichst langen Bereich umfasst. Im Ergebnis versprechen Haimer-Schrumpffutter bis zu 3-fach höhere Haltekräfte als Wettbewerbsprodukte.
Einer der größten Aufträge in diesem Bereich veranlasste Betriebsleiter Ingo Schulten Mitte 2013 zur Einführung von Haimer-Technik. Konkrete Ursache war ein Bauteil für eine pneumatisch betätigte Lkw-Scheibenbremse, die aus Gusseisen mit Kugelgraphit, Typ EN-GJS-800-2 (ehemals GGG-80) mit einer minimalen Zugfestigkeit von 800 N/mm2, besteht.
Bei einigen der zu fräsenden konkaven Konturen hat der Fräser nicht nur punktuellen Kontakt zum Werkstück, sondern er wird zu 30 oder 40 Prozent umschlungen. „Die dabei wirkenden extrem hohen Kräfte wollen das Werkzeug aus der Aufnahme ziehen“, erläutert Schulten.
Schwankende Werkzeugstandzeiten
Glätzer hatte den Auftrag, die Fertigung lief bereits, aber deutlich zu langsam, um wirtschaftlich zu sein. Zwar hatten die Experten ein Werkzeug gefunden, das ursprünglich für das Gesenkfräsen entwickelt worden war und den Anforderungen dieser Schwerzerspanung gewachsen war. Doch letztlich erwies sich die Werkzeugaufnahme als Achillesferse.
Die eingesetzten Weldon-Spannfutter hielten zwar das Werkzeug fest in der Aufnahme. Aber dort, erinnert sich Schulten, „wird das systembedingte Fügespiel durch die seitliche Schraube in eine Richtung gedrückt und verhindert so einen guten Rundlauf des Werkzeugs. So hatten wir extrem schwankende Standzeiten der Werkzeuge, und es kam sogar zu Fräserbrüchen.“
Die Alternative, dauerhaft langsamer zu fahren, schied aus, weil die Fertigung damit nicht mehr wirtschaftlich gewesen wäre. „Die Wirtschaftlichkeit hätte sich sogar immer weiter verschlechtert, weil es in
der Automobilindustrie Usus ist, dass Zulieferer ihre Teile Jahr für Jahr um einige Prozent günstiger liefern müssen“, betont Rautenbach.
Mit der normalen Schrumpftechnik für Werkzeugaufnahmen hätte Glätzer zwar einen sehr guten Rundlauf erreichen können. „Aber die Spannkraft reicht für diese Schwerzerspanung nicht aus“, sagt Schulten. Ein teures halbes Jahr lang probierten die Verantwortlichen alle am Markt zu findenden Lösungen erfolglos aus, bis Schulten in einer Fachzeitschrift vom Safe-Lock-System von Haimer las. „Damit hat Haimer ein System erfunden, das den extrem guten Rundlauf der Schrumpfaufnahmen mit einer Auszugsicherung kombiniert und damit gleichzeitig auch absolute Prozesssicherheit gewährleistet“, sagt der Betriebsleiter.
Formschlüssig gesichert
Beim Safe-Lock-System wird durch spezielle Mitnehmerelemente im Futter und spiralförmige Nuten im Werkzeugschaft wirksam verhindert, dass der Fräser bei Extrembearbeitung durchdreht oder gar aus dem Futter gezogen wird. Denn zusätzlich zu den reibschlüssigen Klemmkräften des jeweiligen Spannverfahrens wird das Werkzeug durch das konstruktive Design des Safe-Lock-Systems formschlüssig in der Werkzeugaufnahme gesichert.
Der Span wird selbst bei hohen Drehzahlen schnell von der Schneide abtransportiert, und die Schneide bleibt kühl.
Die Kombination von Auszugsicherheit und hoher Rundlaufgenauigkeit führt zu einer schwingungsarmen und dadurch sehr effizienten Zerspanung. Durch gesteigerte Schnitttiefen und Vorschübe kann das Zeitspanvolumen um bis zu 100 Prozent erhöht werden. Durch die verbesserten Rundlaufeigenschaften kann sich der Werkzeugverschleiß in ähnlichem Maße reduzieren.
„Der Wechsel zu Safe-Lock kam mir vor wie der Sprung von der Kurbel zum elektrischen Anlasser“, zeigt sich Schulten begeistert. Selbst erfahrene Mitarbeiter konnten kaum glauben, welche neuen Möglichkeiten sich damit auftaten. „Wir können produktive Schnittwerte fahren. Erfreulicherweise sind die Standzeiten nun 40 Prozent höher als zuvor, und sie bleiben sehr stabil.“ Zu den Produktivitätsfortschritten hat auch das Werkzeugkühlsystem Cool Flash beigetragen, ergänzt er.
Schneller Späneabtransport
Beim von Haimer entwickelten System werden Bohrungen ins Spannfutter eingebracht, durch die der Kühlschmierstoff bis zur Stirnfläche des Futters transportiert wird. An der Stirnseite des Cool-Flash-Futters sitzt eine Scheibe, die zum Werkzeug hin einen schmalen, umlaufenden Spalt freilässt. In dieser Kammer sammelt sich der Kühlschmierstoff, baut einen Hochdruck auf und verteilt sich über den ganzen Umfang des Werkzeugschaftes. Aus diesem kleinen Reservoir fließt er als geschlossener Mantel unmittelbar am Werkzeugschaft entlang. Am Ende des Schaftbereichs wird der Kühlschmierstoff in die Spannuten gedrückt und spült diese frei. „So wird der Span selbst bei höchsten Drehzahlen schnell von der Schneide abtransportiert, und die Schneide bleibt kühl“, fasst Schulten zusammen. Hinzu kommt, dass der Werkzeugwechsel mit der Schrumpftechnik von Haimer einfach und schnell abläuft. Das bei Glätzer eingesetzte Tischgerät Haimer-Power-Clamp-Comfort NG besitzt einen Drehteller mit drei Stationen für Werkzeugaufnahmen und eine intelligente New-Generation(NG-)Spule. Sie ist verstellbar, wodurch mit nur einem Dreh die Spule in Länge und Durchmesser auf die Größe des Schrumpffutters eingestellt werden kann. Wechselscheiben sind überflüssig. So wird das Futter gezielt nur an den Stellen erwärmt, auf die es ankommt. Das beschleunigt sowohl das Aufheizen wie auch das Abkühlen der Aufnahmen. Beim Abkühlen sorgen zudem Kühlkörper verschiedener Größen für zusätzliches Tempo sowie „sanfte“ und saubere Kühlung.
Hohes Haltemoment
Glätzer hat durch das nun gelöste Fertigungsproblem einen deutlichen Schritt nach vorn getan. Daher führt Betriebsleiter Schulten die Schrumpftechnik nach und nach auch in der restlichen Fertigung ein. Selbst ohne Safe-Lock-Technik
sitzen die Werkzeuge sehr stabil in den Schrumpfaufnahmen. Bei einem Werkzeugdurchmesser von 20 mm garantiert Haimer etwa ein Haltemoment von bis zu 800 Nm. Die hohe Rundlaufgenauigkeit resultiert aus dem rotationssymmetrischen Spannkörper, der ohne zusätzliche Elemente wie Zangen und Spannschrauben auskommt.
So bleibt bei Glätzer der Safe-Lock-Einsatz auf die Schwerzerspanung beschränkt und macht im Unternehmen aktuell rund zehn Prozent aus. Normale Schrumpftechnik von Haimer hat inzwischen einen Anteil von fast einem Drittel der Fräsbearbeitung erreicht.
„Der Anteil des Schrumpfens wächst weiter“, sagt Schulten, „weil wir immer mehr Teile per High-Performance-Fräsen herstellen“, Auch bei Plattenwerkzeugen werden mit dieser Werkzeugspannung deutlich höhere Standzeiten erreicht. Und da die Werkzeuge einen der größten Kostenblöcke darstellen, amortisiert sich das Schrumpfen mit und ohne Safe-Lock sehr schnell.
Kontakt:
- Glätzer GmbH, www.glaetzer-knieps.de
- Haimer GmbH, www.haimer.com