Nicht immer läuft alles rund – immer aber präzise. Die Klassiker bei Werkstücken mit elliptischem Querschnitt sind Nockenwellen, Exzenter, Hubkolben und formschlüssige Teile. Die J. G. Weisser Söhne Werkzeugmaschinenfabrik in St. Georgen gilt mit ihren Drehmaschinen und multifunktionalen Fertigungszentren als Spezialist für die präzise Fertigung solcher Unrundteile.
Die besondere Herausforderung besteht darin, dass die hochdynamische Bearbeitungsachse durch oszillierendes Vor- und Zurückfahren eine definierte, nicht kreisförmige Bahn erzeugen muss, während sich das Werkstück dreht. Für seine einspindlige Vertikal-Drehmaschine der Reihe Vertor C hat das Schwarzwälder Unternehmen eine spezielle, hochdynamische Bearbeitungseinheit entwickelt. Mit dem HOT-System (Hyperspeed Oval Turning) setzt es neue Maßstäbe in Sachen Präzision und Geschwindigkeit. In Bezug zur Drehachse generiert ein hochdynamischer Oszillationsantrieb die radiale, oszillierende Bewegung der Werkzeugschneide.
Diese erfolgt in Richtung der X-Achse, also orthogonal zur Werkstückspindelachse. Die Schneide kann in dieser gedachten Ebene variabel positioniert werden, so dass sich radiale und
stirnseitige Konturen oder hemisphärische Unrundheiten ideal herstellen lassen. „Die für die Bearbeitung notwendige Präzision sowie die hohe Prozessdynamik erforderte eine Hochleistungs-CNC“, erklärt Thorsten Rettich, technischer Geschäftsführer bei Weisser. Mit der CNC-Steuerung IndraMotion MTX, kombiniert mit Servoantrieben, bietet Bosch Rexroth eine Systemlösung, die die Anforderungen an Regelungsgenauigkeit und Schnelligkeit erfüllt.
Komplexe Unrundbearbeitung
Kennzeichnend für die Unrundbearbeitung ist die präzise Abbildung der Oberflächenstruktur eines Werkstücks in allen Dimensionen. Folglich ist es am effizientesten, die Bewegungsprofile für die Antriebe direkt aus der Werkstückkontur auszulesen. Die Rexroth-CNC-Lösung verarbeitet die einzelnen Bildpunkte mit ihren Koordinaten aus dem CAD-System heraus direkt im Antrieb. Die Interpolation zwischen den einzelnen Punkten ermöglicht eine präzise Bewegungsführung bei maximaler Dynamik. Unrundbearbeitung ist komplex: Während des Prozesses werden pro Sekunde bis zu 4000 Positionen aus der Kontur des Werkstücks heraus an den Antrieb übermittelt. Bei dieser Bearbeitungsart kommt es vor allem auf Schnelligkeit an. Deshalb steht und fällt die Leistung mit der Dynamik der Antriebe – vor allem bei dem für die HOT-Einheit. Die intelligenten Antriebe sichern eine Taktzeit von 250 µs für den Bearbeitungsprozess. Kürzere Bearbeitungszeiten sowie höhere Dynamik und Bahngenauigkeit sind letztlich der Schlüssel zu höherer Produktivität.
Auf einen Blick
Vollelektrische Drehmaschine von Weisser
Auf der AMB 2012 in Stuttgart stellte Weisser die weltweit erste vollelektrische Präzisions-Drehmaschine aus, das kompakte Maschinenmodell Vertor C-1 Hit E-Machine. Die Werkzeugmaschine ist prädestiniert für viele Anwendungen hochdynamischer Zerspanungsprozesse wie etwa der Unrundbearbeitung. Diese sehr schnelle Präzisionsdrehmaschine überzeugt durch kompaktes Design, hohe Flächenproduktivität, robusten, hochpräzisen Grundaufbau, hohe Steifigkeit und thermische Stabilität sowie eine sehr hohe Lauf-, Positionier- und Dauergenauigkeit. Zu den Features gehören das patentierte Hot-System (Hyperspeed Oval Turning) zur flexiblen Erzeugung sehr präziser unrunder und auch nicht rotationssymmetrischer Konturen. Es gibt keine hydraulischen und pneumatischen Aktuatoren. Somit handelt es sich um eine komplett elektrische Werkzeugmaschine mit hoher Energieeffizienz.
Grundlage für die hohe Rechenleistung der Rexroth-Systemlösung ist eine dezentrale Systemarchitektur mit verteilter Steuerungs- und Antriebsintelligenz. Damit stehen Leistungsreserven auch über die Antriebe zur Verfügung. Im Einzelnen setzt sich die Automatisierungslösung der Vertor C aus der CNC-Steuerung IndraMotion MTX, den Servoantrieben IndraDrive M sowie Motoren der Reihe IndraDyn S zusammen. Auf Basis dieser technischen Ausrüstung schafft das
HOT-System die Grundlage für wesentlich höhere Werkstückdrehzahlen. „Bei identischen Genauigkeitsanforderungen konnten wir die Drehzahlen mit dem HOT-System im Vergleich zur konventionellen Einheit um bis 300 Prozent steigern. Daraus ergibt sich eine Verdoppelung der theoretischen Leistungskapazität des gesamten Bearbeitungszentrums“, unterstreicht Rettich. Die Vertikal-Drehmaschine ist ausgelegt für die Bearbeitung von Kleinteilen bis zu einem Durchmesser von 150 mm bei mittleren bis großen Stückzahlen. Gerade in diesem Bereich sind geringe Stückzeiten und damit -kosten entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit. Voraussetzung dafür sind Maschinen mit einem Höchstmaß an technischer Reife, Präzision und Dauergenauigkeit. „Die dezentrale und offene CNC-Lösung von Bosch Rexroth ermöglicht höhere Schritt- und Verfahrgeschwindigkeiten und hat zudem noch Leistungsreserven“, sagt Rettich. Das hat auch Vorteile für Maschinenbetreiber: Durch die dezentrale Steuerungsarchitektur können sie die Maschinen einfacher einrichten, umrüsten und bedienen.
Energieverbrauch transparent gemacht
Die Vertor C ist die erste vollelektrische Präzisions-Drehmaschine. Mit der konsequenten Nutzung der Energieeinsparpotenziale der Elektrik konnte Weisser den Energieverbrauch um rund 20 Prozent senken. „Bei unaufhaltsam steigenden Energiekosten ist das schon ein Wort und ein Wert an sich“, macht Rettich deutlich. Im Schwarzwald setzt man auch deshalb auf elektrische Energie, um besonders sensibel dosieren und lastabhängig regeln zu können. Um den Energieverbrauch für die Betreiber transparent zu machen, nutzt Weisser das in die CNC-Steuerung integrierte Energie-Monitoring. Das Softwaretool IndraMotion MTX ega wurde zu diesem Zweck nochmals verfeinert und hinsichtlich der Diagnose-möglichkeiten erweitert. Während der Bearbeitung des Werkstücks ermöglicht es zum Beispiel die Identifizierung großer Verbraucher und unterstützt so bei der Optimierung von Prozessen.
Um den Energieverbrauch für die Betreiber transparent zu machen, nutzt Weisser das in die CNC-Steuerung integrierte Energie-Monitoring. Das Softwaretool wurde nochmals verfeinert.
Wachsender Kostendruck im Griff
Schneller bearbeiten, produktiver sein mit mehr Flexibilität, Verfügbarkeit und Präzision: Mit diesen Werten bekommen Maschinenbetreiber in der Metallverarbeitung den wachsenden Kostendruck in einem immer schärfer werdenden
Wettbewerb besser in den Griff – und profitieren dabei vor allem von den geringeren Stückkosten. Um diese Ziele mit ihren Maschinen zu erreichen, haben sich die Verantwortlichen bei Weisser vom etablierten Gedanken einer zentralen Steuerungsintelligenz gelöst und bewusst neue Wege beschritten. Eine dezentrale, offene Systemarchitektur, in der Prozesse sowohl auf der Steuerung als auch in den Antrieben laufen, machte es dem Unternehmen möglich, Prozesszeiten weiter zu verkürzen und die Bearbeitungsgenauigkeit zu erhöhen.
Kontakt:
- J.G. Weisser Söhne GmbH & Co. KG Werkzeugmaschinenfabrik, www.weisser-web.com
- Bosch Rexroth AG, www.boschrexroth.de