Seit fast 150 Jahren dienen Instrumente und Systemlösungen mit hoher Kompetenz von Aesculap den teils extremen Anforderungen in Operationssälen rund um den Erdball. Neben den chirurgischen Instrumenten zählen Implantate und Nahtmaterial genauso zum Portfolio wie Sterilcontainer oder fortschrittliche Verfahren in der Biotechnologie; ganzheitliche Produkt- und Dienstleistungen für alle chirurgischen Kernprozesse aus einer Hand. Seit 1976 gehört die Aesculap AG als Sparte zur B. Braun Melsungen AG. Pinzetten bietet Aesculap in mehr als 1000 Varianten. Der Renner unter den chirurgischen Pinzetten erreicht Stückzahlen von über 20 000 Exemplaren pro Monat. Einige Spezialpinzetten werden gerade mal mit 50 Stück pro anno nachgefragt. Fast alle Pinzetten haben eines gemeinsam: Die bei chirurgischen Instrumenten am häufigsten eingesetzten Werkstoffe 1.4021 und 1.4024 mit den Laborierungen X20Cr13 bzw. X15Cr13, Edelstähle der Zerspanungsklasse 5 – zäh, kaltverfestigend, gratbildend und mit Neigung zu Aufbauschneiden beim Drehen.
„Der Aufwand, den wir in die Entwicklung der standardisierten Mauszahnbearbeitung investierten, schlägt sich nun in bis zu 30 Prozent Kosteneinsparung nieder.“
Heiko Martinic, Aesculap
Das Portfolio von Aesculap bietet etwa 50 Typen von chirurgischen Pinzetten mit dem sogenannten Mauszahn als Greifgeometrie. Die interne Norm
unterscheidet drei Sorten je nach Breite und Höhe des Mauszahnprofils – von 0,7 mm Profilhöhe bis 4 mm. Die Geometrien sind alten Mustern entlehnt, die sich bewährt haben und schon seit Generationen zu diesen klassischen Instrumenten gehören. Die drei Mauszahnsorten unterscheiden sich je nach Größe durch die Zahnwinkel von 25, 30 und 35°. Die hohen geometrischen Anforderungen an die Mauszahngeometrie, das genaue Zusammenpassen der „männlichen“ und „weiblichen“ Teilgeometrien, die eng tolerierten Spitzen- und Basiswinkel sowie die Labilität der schlanken Pinzettenenden stellen hohe Anforderungen an die Bearbeitung und Aufspannung.
Fertigfräsen in einer Aufspannung
Früher, auf konventionellen Fräsmaschinen, bearbeitete man die Mauszahngeometrie in mehreren Aufspannungen, je nach geometrischer Anforderung der Pinzette. Die notwendige Nacharbeit von Hand war zeitaufwändig, teuer und bedurfte jahrelanger Berufserfahrung, fast vergleichbar mit den Aufgaben eines Uhrmachers. Das Problem lag in der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse vor allem bei den winzigen Mauszahndimensionen von 0,7 mm. Heute wird die Mauszahngeometrie in Formbacken gespannt und in einer Aufspannung mittels 5-Achs-CNC
fertiggefräst. Die Problemstellung bei dieser Bearbeitung liegt nicht bei der Maschine. Die Auslegung der Spannsituation und der Werkzeuge bedurfte einer längeren Prozessentwicklung. Die zu bearbeitenden Pinzettenspitzen sind labil, schwingungsempfindlich und weichen schon geringen Schnittdrücken aus. Spezielle Formbacken waren daher für jede der etwa 50 Pinzettenvarianten mit Mauszahngeometrie nötig. Dann erfolgte die Entwicklung der Werkzeugpaarungen zur Bearbeitung der männlichen und weiblichen Pinzettenschenkel. Da sich die drei Mauszahngrößen in ihren Zahn- und Gegenzahnwinkeln unterscheiden (25, 30 und 35°), entschied man, zur Vermeidung von Verwechslungen der Werkzeuge, diese in drei unterschiedlichen Durchmessern auszulegen. Je nach Mauszahngröße und dazugehörigem Winkel paarte man „männliche“ und „weibliche“ Werkzeuge der sechsschneidigen Fräsertypen von Horn, Typ 613, 628 und 632 mit korrespondierenden Schneidkreisdurchmessern von 21,7, 27,7 und 31,7 mm.
Hohe Anforderungen an die Werkzeugschleifer von Horn
Extrem enge Vorgaben für die Verrundung der Basiskontur des männlichen Mauszahns von maximal nur 3/100 und 5/100 mm für den Nutgrund der weiblichen Kontur stellten hohe Anforderungen an die Werkzeugschleifer bei Horn, zumal sich wegen der Berücksichtigung der Beschichtungsdicke die Vorgaben beim Schleifen des Grundkörpers nochmals verschärften. Diese sehr scharfe Schneideckenkontur musste aber neben der geometrischen Präzision auch noch hohe Standzeiten und hohe Prozesssicherheit bei der Bearbeitung von 1.4021 beziehungsweise 1.4024 gewährleisten. Keine leichte Aufgabe, zumal auch die leicht positiven Schneidkanten sehr scharf auszulegen waren, um Schnittdruck und Gratbildung zu minimieren. In Folge des Optimierungsprozesses werden die Mauszahngeometrien in
Richtung der Pinzettenspitze gefräst, da unvermeidbare minimale Grate durch die nachfolgende Verrundung der Pinzettenspitze mit entfernt werden.
Der Optimierungsprozess der Bearbeitung, der Aufspannung und der Werkzeugauslegung nahm insgesamt sechs Monate in Anspruch, dabei drei Monate in enger Zusammenarbeit der Tuttlinger und der Tübinger Zerspanungsspezialisten. Aufsetzen konnte man dabei auf einer jahrzehntelangen erfolgreichen Zusammenarbeit der beiden Unternehmen. Auf einer breiten Basis wurden dabei die Voraussetzungen für die Bearbeitung einer Vielzahl verschiedenster Instrumente und anderer Produkte von Aesculap geschaffen.
Im ersten Schritt der Werkzeugauslegung bestimmte man Werkzeugsystem, Fräsertyp und Schneidenanzahl. Der zweite Schritt beinhaltete die Entwicklung der optimalen Schneidengeometrie und die Festlegung auf Ultrafeinstkorn als Substrat. Abschließend, bei der Wahl der am besten geeigneten Beschichtung, konnte man auf einen reichlichen Erfahrungsschatz bei der Bearbeitung von 1.4021 zurückgreifen. Unter Berücksichtigung der Feinstkontur an den Werkzeug-Schneidecken wählte man eine besonders glatte und relativ dünne Beschichtung. Diese vereinfacht die Spanbildung, den Spanablauf und bietet geringen Reibungswiderstand. Wenig Reibung erzeugt wenig Wärme und geringen Wärmeeintrag ins Werkzeug. Ergebnis: hohe Standmenge und minimierter Schnittdruck. Die verwendete Sorte Ti25 mit ihrer TiCN-Beschichtung eignet sich zudem
besonders zur Bearbeitung von martensitischen rostfreien Stählen. Heiko Martinic, zuständig für die Zerspanungstechnik und Prozessentwicklung für weltweite Standards bei Aesculap: „Der Gesamtprozess, den wir ausgehend von CAD/CAM, der Festlegung auf den Maschinentyp DMG Mori MILLTAP 700, den Spannmitteln, den zu verwendenden Werkzeugen und KSS als Kühlschmiermittel, in enger Zusammenarbeit mit Horn entwickelt haben, muss auch in unseren Fertigungsstätten im Ausland zu 100 Prozent und verlässlich nachvollziehbar sein. Daher haben wir auch mittels eines parametrisierten Prozesses durch Bestimmung von 20 Geometriewerten die Abbildung des gesamten Produktportfolios für alle bei uns verfügbaren Pinzetten erarbeitet. Der Aufwand, den wir in die Entwicklung der standardisierten Mauszahnbearbeitung investierten, schlägt sich nun in bis zu 30 Prozent Kosteneinsparung nieder. Der Fräsprozess für das Mauszahnprofil einer Pinzette inklusive Werkstückwechsel und Werkzeugwechsel dauert jetzt nur noch etwas über eine Minute. Ein Fräserpaar bearbeitet prozesssicher 1400 männliche und weibliche Pinzettenhälften. Es hat sich also gelohnt. Und daher arbeiten wir auch schon an unserem nächsten Projekt: der Entwicklung einer Bearbeitungsstrategie für Mehrfach-Mauszahn-Geometrien.“
Erfolgreiche Partnerschaft
Martinic ergänzt: „Neben der Technik sollten auch noch andere Werte bei der Zusammenarbeit zweier Partner berücksichtigt werden. In der
langjährigen erfolgreichen Partnerschaft mit Horn und seinem Außendienst-Repräsentanten Gisbert Voss, der uns oft dreimal die Woche als Berater zur Verfügung steht, haben wir bereits viele Projekte bearbeitet und Probleme gelöst. Nicht ohne Grund sind unzählige Werkzeuge aus fast allen Systemen, die der Horn-Katalog bietet, bei uns im Einsatz. Wir schätzen die hohe Beratungskompetenz und die kurzen Lieferzeiten. Da wir bei unseren Sonderwerkzeugen und Anforderungen mit Bestellmengen bei unter 50 Stück von den verkürzten Lieferzeiten des Horn-Greenline-Services profitieren, konnten wir unsere
Reaktionszeit und Lagerhaltung kostensparend verringern und vereinfachen.“
Kontakt:
- Aesculap AG, www.aesculap.de
- Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn GmbH, www.phorn.de