Erst daraus ergibt sich ein wohldurchdachtes Industriedesign, das von Beginn an mitwirkt und nicht aufgepfropft wirkt Dabei muss so manch ein Denkprozess aufgebrochen und neu definiert werden

„Effektives Industriedesign beginnt bereits in der frühen Konzeptions- und Entwicklungsphase einer Maschine und verknüpft gestalterische Aussagen und Designziele mit den gewünschten Maschinenfunktionen“, beschreibt Wichmann. Je nach Anforderung kommt auch dem Bediener ein mehr oder weniger wichtiger Stellenwert bei. Am Beispiel der NBH 630 5X des Maschinenherstellers MAG, die zumeist verkettet und mannlos eingesetzt wird, verdeutlicht Wichmann, ist dieser Aspekt vernachlässigbar. Bei solitär betriebenen Maschinen dagegen ist der Faktor Bediener und Ergonomie ein wichtiger Designaspekt.

Meine Meinung

Der Leitsatz Form folgt Funktion gilt zwar noch immer, da die Funktion das primäre Leistungsmerkmal ist, über das eine Maschine definiert wird. Doch inzwischen gilt intelligentes Industriedesign nicht mehr nur als schönes Facelift, sondern greift früh in den Kosntruktionsprozesse ein und berücksichtigt auch Ergonomie, Nachhaltigkeit und schonenden Umgang mit Ressourcen. Dabei muss ein gelungenes Maschinendesign viel mehr Kriterien und Anforderungen erfüllen als das Design bei Konsumgütern, welches oft nur eine Stylingmaßnahme darstellt. Auf Grund des viel länger währenden Produktlebenszyklus von Maschinen muss das Design flexibel bleiben.
Martin Droysen, Redaktion fertigung

Branchenreport 3

Das neue Design von DMG Mori Seiki war auf der EMO zu sehen und ist wahlweise in „Black“ oder „White“ verfügbar. Bild: DMG Mori

Dabei, so beschreibt Wichmann, muss gutes Design nicht mehr Kosten verursachen: „Die Weiterentwicklung eines technischen Produktes startet immer im Inneren. Maschinen werden präziser und effizienter, doch oft sieht man es Ihnen nicht an”, erläutert er. Für Wenzel haben die Designer eine ganze Produktfamilie aus ihrem formalen Winterschlaf erweckt. Die Portalmessgeräte der LH-Serie überzeugen durch ihre inneren Werte, im neuen Design tun sie dies nun auch durch ihre äußere Erscheinung. Wichmann: „Die Marke wird so besser kommuniziert.“ Nach Einschätzung von Alexander Attenberger, Abteilungsleiter Universalmaschinen international der Grob-Werke GmbH & Co. KG, Mindelheim, „spiegelt das Design auch immer den Wiedererkennungswert einer Marke wider“. So werde heute schon ab und an zu Gunsten des Designs entschieden. Es dürfen daraus aber „keine oder nur marginale Auswirkungen auf die Servicefreundlichkeit und die Zuverlässigkeit der Maschine entstehen“. Durch ein hochwertiges Design einer Maschine wird auch die Fertigung eines Betriebes aufgewertet, wodurch wiederum gegenüber dessen Kunden ein höherwertiges Bild der Firma abgegeben werden kann.

„Keine Kompromisse“ ist die Devise von Peter Wagner, Leiter Entwicklung der Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH, Nürtingen: „Funktion und Prozessfähigkeit des Systems stehen im Vordergrund. Es werden aufgrund der Form keine Abstriche bei der Funktion gemacht.“ Aufgrund immer mehr steigender sicherheitstechnischer Anforderungen geht Heller bei der Auslegung der Schutzverkleidung in diesem Aspekt keine Kompromisse zugunsten der Form ein. Vielmehr ist es Aufgabe der Entwicklung und des Designbüros, Funktion und Form in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Nach seinem Verständnis muss das Design nicht in erster Linie die Innovation einer Maschine sein, auch hier gilt es, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen äußerem Erscheinungsbild und „innerer Wertigkeit“ des Produktes zu erreichen.

DMG Mori Seiki ist in Sachen Industriedesign bereits sehr weit. Auf der EMO verdeutlichte das Unternehmen an 15 Hightech-Maschinen den ganzheitlich hohen Qualitätsstandard mit einem neuen, gemeinsamen Design. Am Beispiel der NLX2500SY und der DMU 80 P duoBlock kann der Anwender neben allen technischen Ausstattungsmerkmalen zukünftig zwischen dem neuen Design „Black“ oder „White“ wählen – ohne Mehrkosten.

Interview Tim R. Wichmann, Christian Jaeger, Geschäftsführung The Kaikai Company

„Gedankenprozesse aufbrechen“

Branchenreport Interview

­Tim R. Wichmann, Geschäftsführer bei The Kaikai Company: „Intelligentes Industriedesign beginnt bereits ganz früh und schont Ressourcen.“

Tim R. Wichmann, Marketing Direktor, und Christian Jaeger, Creative Director sind beide Geschäftsführer der Kaikai Company. fertigung-Redakteur Martin Droysen sprach mit ihnen über die Bedeutung von Industriedesign bei Werkzeugmaschinen.

Herr Wichmann, wie wichtig ist Design für die Maschinenhersteller?
Prinzipiell ist jedes Produkt eines Herstellers sein Aushängeschild. Oftmals der erste Kontakt mit dem Endkunden. Das Produkt erinnert diesen täglich an den Hersteller. Es ist imageprägend. Zudem entscheidet das Produkt mittels Qualität und Zuverlässigkeit über die Zufriedenheit des Kunden. Über ein einzigartiges Design kann das Unternehmen, dessen Marke sowie Werte transportiert werden. Dies kann zur Folge haben, dass eine stärkere Identifikation mit den Produkten, der Marke, also dem Hersteller selbst durch den Kunden stattfindet. Was dazu führt, dass die Produkte mehr gekauft werden, mehr produziert werden, mehr Mitarbeiter gebraucht werden. Ein wichtiger, wirtschaftlicher Mehrwert entsteht.

Welchem Zweck dient das Industriedesign?
Ein intelligentes, bereits in der Konstruktion integriertes Industriedesign kann viele Zwecke erfüllen. Es kann Kosten einsparen, da durch neue Materialien oder andere Fertigungstechniken Verkleidungen vergünstigt werden können. Oder die Orientierung für den Anwender verbessern, Bereiche zur Bedienung anders gestalten und somit kennzeichnen. Zudem kann beispielsweise durch Licht eine Kommunikation zwischen Mensch und Maschine unterstützt und vereinfacht werden. Wartung und Bedienung kann durch neue, leichtere Materialien und Verschlusssysteme erleichtert werden. Ebenso dient das Design der Kommunikation der inneren, teilweise nicht sichtbaren Werte des Produkts, die oftmals ein Alleinstellungsmerkmal bilden. Das Äußere des Produkts muss in unseren Augen die existierenden Innovationen und Hightech „Made in Germany“ deutlich und stolz kommunizieren. Dem Produkt muss man ansehen, dass es neu ist und dass es besser ist.

Welche Elemente betrifft Industriedesign?
Industriedesign greift an vielen Punkten. Anhand einer Umhausung generiert man eine neue Erscheinung in Gänze. Kombiniert mit neuen Funktionen und „Smart Materials“ (leichter, beständiger etc.). Abgerundet wird ein neues Industriedesign aber immer noch durch Lösungen im Detail, die die Ergonomie verbessern und die Marke deutlich kommunizieren. Angefangen bei Bedien­elementen, die durch hochwertige Materialien die Haptik zum Erlebnis machen und Lust auf Bedienung generieren. Das Einbinden der Marke mittels Farbgebung, Graphik und designten Brand-Elementen verleihen dem Produkt zusätzlich Charakter und Stärke in der Aussage. Produktgraphiken, nachhaltig und wertbeständig umgesetzt, unterstreichen dies. Sämtliche Peripherie, angefangen von Späneförderern und Kühlaggregaten über Servicekits bis hin zum Packaging von Zubehör oder Werkzeugen runden das Gesamtbild ab.

Gibt es Einflüsse seitens Käufer der Maschinen auf die Designarbeiten?
Sehr oft haben wir es mit kundenspezifischen Lösungen zu tun. Hier gibt der Endkunde sehr detailliert die Konfiguration des Produkts vor. Es gilt, mit einem stimmigen Designsystem zu antworten, das diese Anforderungen unterstützt und nicht blockiert. Anhand der Reaktionen der Kunden auf eine Lösung ist ein guter Weg zur Verbesserung und vor allem zur Identifikation mit dem Produkt erkennbar. Personen, die ihre gesamte Arbeitszeit an den designten Maschinen verbringen, schätzen vor allem ergonomische Verbesserungen und genießen es, wenn sie an der „coolsten“ Maschine arbeiten, die über designte Peripherie-Produkte Raum schafft, sich damit zu identifizieren. Weitere Pluspunkte sind durch schlüssiges, übersichtliches Design verkürzte Einarbeitungszeiten und geringere Fehler. Und dass es etwa bei einem Anwender seit Installation der neu designten Maschine einen Putzplan gibt, da diese wöchentlich mehrere Schulklassen besichtigen, spricht für eine höhere Identifikation mit dem Produkt und drückt einen gewissen Stolz aus.

Welche Trends sind im Bereich Industriedesign auszumachen?
Die Zeiten, in der Aussagen wie „Design im Maschinenbau braucht kein Mensch“ oder „Eine Maschine muss funktionieren, nicht gut aussehen“ gehören inzwischen der Vergangenheit an. Inzwischen trauen sich auch immer mehr Hersteller an moderne Materialien heran, kommunizieren deutlicher ihre Identität und versuchen, sich vom Markt abzuheben. Dennoch ist auch festzustellen, dass sehr teure Lösungen gerade in der Umsetzung und Verarbeitung zum Einsatz kommen, die darauf schließen lassen, dass das neue Design deutlich teurer ist. Neukunden berichten oft, dass vorangegangene Designunternehmen zu wenig auf die bestehende Fertigungstiefe eingegangen sind oder den Kunden bei der Umsetzung „alleine“ gelassen haben, was zu Kostenexplosionen führte. Der Mehrwert bleibt hier oft auf der Strecke. Daher ist es nicht unüblich, dass viele Designlösungen „one-hit-wonder“ bleiben und lediglich einen Designpreis ergattern, der keinerlei Auskunft über den Erfolg am Markt widerspiegelt. Ein neues Design sollte immer dazu beitragen, dass ein wirtschaftlicher Mehrwert entsteht – sowohl für den Hersteller als auch für den Anwender.

Branchenreport 2

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