Ziel des Forschungsprojektes ist es, einen gerichteten Graphen zu entwickeln, der domänenspezifisches Wissen mit KI-Erkenntnissen über Kausalbeziehungen kombiniert. Dieser hat das Potential, das Fehlermanagement in den Automatisierungsprozessen der Fertigungsindustrie deutlich effektiver zu machen.
Bei Inbetriebnahmen und im Einsatz von komplexen Fertigungssystemen ist es ein vorrangiges Ziel, hohe Verfügbarkeit des Systems zu realisieren und die Stillstandzeiten zu minimieren. Zur schnellen Erfassung von Störungen im Arbeitsablauf werden auf der Steuerungsseite Zustandsmeldungen der im Arbeitsablauf beteiligten Baugruppen angezeigt. Hier ist dann das Bedienpersonal gefragt, aus der Vielzahl der gemeldeten Zustände die richtigen Schlüsse zu ziehen, die Ursache der Störung zu finden und das System wieder zu starten. Qualifikation und Erfahrung der Bedienperson beeinflusst dabei in hohem Maße die Systemverfügbarkeit. Bei hochautomatisierten und komplexen Fertigungssystemen kann im Störungsfall eine hohe Ausfalldauer entstehen und erheblicher Personalaufwand nötig sein.
Diese Problematik will das Projekt KausaLAssist, mit einer Laufzeit von drei Jahren, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, lösen. Das Projekt hat zum Ziel, höhere Produktivität, geringere Ausfallzeiten und letztendlich eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit bei hochautomatisierten Fertigungssystemen zu erreichen, durch intelligentes Fehlermanagement mittels erklärbarer KI. Ein erlernter kausaler Graph, welcher Ursache-Wirkungsbeziehungen in den Maschinen transparent darstellt, dient als Entscheidungsgrundlage für Fehlerpriorisierung, Ursachenermittlung und Lösungsstrategieentwicklung für eine effektive Fehlerbehebung.
Auf einen Blick
Ziel von ‚KausaLAssist‘ ist es, einen Graphen zu entwickeln, der domänenspezifisches Wissen mit KI-Erkenntnissen über Kausalbeziehungen kombiniert. Dieser Graph stellt die erlernten Erkenntnisse sowohl für Menschen als auch für Maschinen lesbar dar und ermöglicht eine transparente Ableitung effektiver Maßnahmen zur Störungsbehebung.
Beteiligung im BMBF-Projekt: KausaLAssist
- Fraunhofer Institut IWU in Dresden; Projektleitung
- Schuster Maschinenbau GmbH
- Kamax Tools & Equipment GmbH & Co. KG
- Industrie-Partner GmbH Coswig
- Seitec GmbH
- Queo GmbH
- ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH
Projektteilnehmer
Im Fraunhofer Institut IWU in Dresden, das die Projektleitung innehat, werden KI-Methoden entwickelt, welche Maschinenmeldungen und Maschinenzustände in Ursache-Wirkungsbeziehungen strukturiert. Kombiniert mit Ursachen zu Fehlerzuständen entsteht ein kausaler Graph, mit dem potenzielle Ursachen zielgerichtet ermittelt werden können. Aus den ermittelten Ursachen werden automatisiert Lösungsstrategien abgeleitet und dem Bedienpersonal an der Maschine präsentiert und anschließend anhand von Effektivität bewertet. Die erfolgreichen Strategien werden gespeichert und zur Fehlerbebung bereitgestellt. Die entwickelten KI-Methoden werden auf Erprobungsplattformen für die Projektergebnisse bei den Industriepartner im Projekt bereitgestellt.
Zum einen ist dies eine hochautomatisierte Fertigungszelle bei Kamax Tools & Equipment, bestehend aus drei Pick-up-Drehmaschinen von Schuster Maschinenbau mit integriertem Messen und anschließendem Polieren und Montageprozess, verknüpft durch Portalladersysteme. In dieser Linie werden Werkzeuge zur Herstellung von hochfesten Schrauben in der Stückzahl 1 gefertigt. Von der Materialbereitstellung bis zum fertigen Werkzeug ist der gesamte Prozess voll digitalisiert und automatisiert.
Der zweite Anwendungsfall wird bei Industrie Partner Coswig untersucht. IP Coswig hat in ihrem Produktportfolio den Robo Operator, eine autarke Roboter-Einheit, die bei mehreren Kunden zur Maschinenbeschickung schon im Piloteinsatz ist.
In der dritten Anwendung wird der KausaLAssist in einer im Einsatz befindlichen Einzelmaschine bei Schuster-Maschinenbau erprobt.
Die digitale Infrastruktur für das KI-System entwickelt Seitec. Es wird eine intelligente Datensammlung und -bereitstellung für die Gesamtheit der Anwendungsfälle sowie des von der ISG Industrielle Steuerungstechnik entwickelten digitalen Zwillings realisiert. Dazu wurde ein aggregierender OPC-UA-Server umgesetzt, welcher alle Meldungen aus den Maschinen individuellen OPC-UA-Servern standardisiert, via OPC-UA Alarms and Conditions sammelt und auf die Anforderungen in KausaLAssist normiert. Diese Daten werden anschließend durch einen selbst entwickelten komplexen OPC-UA-Client verfügbar gemacht und persistent gespeichert.
Queo entwickelt eine Applikation für das Fehlermanagement, wo alle KI-Erkenntnisse aus dem Feld zusammenlaufen und benutzerfreundlich aufbereitet werden.
Die ISG Industrielle Steuerungstechnik stellt einen realitätsgetreuen digitalen Zwilling als Hardware-in-the-loop-Simulation für die virtuelle Inbetriebnahme und Validierung der KI-Systeme zur Verfügung. Damit wird über Simulationen und virtuelle Abbildung von Inbetriebnahmen und beim Betrieb der Maschine eine realitätsnahe Funktionalität der KI-Modelle abgebildet, ein digitaler Zwilling. Dieser Zwilling läuft dann in der Produktion parallel zum realen Betrieb mit und daran wird das Fehlermanagement getestet.
Kongress Digitale Fabrik
Auf dem Kongress "Digitale Fabrik" treffen sich jährlich Expertinnen und Experten der digitalen Produktions- und Fertigungsplanung zum intensiven und vor allem persönlichen Austausch.
Der nächste Kongress findet 2025 statt.
Weitere Informationen zum Kongress gibt es hier: Alles zur Digitalen Fabrik!
Strukturierung des KausaLAssist
Ziel des Projekts ‚KausaLAssist‘ ist es, eine benutzerfreundliche Assistenzlösung zu entwickeln, die Erkenntnisse aus Daten zieht und intuitiv mit Fachwissen über Kausalbeziehungen im Prozess kombiniert, das heißt, der kausale Graph lernt über die vorhandenen Maschinendaten, auftretenden Fehlern und dem Input über Expertenwissen.
Dieser Graph stellt die erlernten Erkenntnisse sowohl für Menschen als auch für Maschinen lesbar dar und ermöglicht eine transparente Ableitung effektiver Maßnahmen zur Störungsbehebung. Dabei können nicht nur Störungen identifiziert, sondern auch deren Ursachen präzise ermittelt werden. Dies ermöglicht es Fachkräften, fundierte Entscheidungen zur Fehlerbehebung zu treffen und effektive Maßnahmen einzuleiten.
Gleichzeitig bietet die Darstellung der Ergebnisse einen Ansatz, das Verständnis der Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Komponenten zu verbessern und damit die Produktionsprozesse gezielt zu optimieren.
Neben der Fähigkeit, kontinuierlich zu lernen und sich anzupassen, ist die transparente Darstellung über Abläufe im System ein weiterer Vorteil des kausalen Graphs. Dies bewirkt eine bessere Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse und eine detaillierte Entscheidungsfindung für den Werker, der den Graph als ein Assistenzsystem nutzt, um mit seinem Expertenwissen schnell den vorliegenden Fehler beheben zu können. Gerade bei Systemen mit hohem Automatisierungsgrad kann eine Flut von Fehlermeldungen auftreten, die dann das Bedienpersonal stark fordert. In diesem Fall sortiert der kausale Graph die Fehlermenge und gibt eine Empfehlung für ein priorisiertes Vorgehen zu effektiven Fehlerbehebung.
Die Implementierung des kausalen Graphs in am Markt verfügbare Steuerungen ist leicht durchführbar, sobald sie den Standard OPC-UA Alarms and Conditions als Schnittstelle im Signalaustausch unterstützen.
Carl Willy Mehling, Projektleiter des BMBF-Projekts und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fraunhofer Institut IWU macht dazu deutlich: „Der Fokus des Projekts liegt auf einer hohen Praxistauglichkeit der Lösung. Das wichtigste Kriterium ist für uns, dass KausaLAssist sehr schnell und einfach Steuerungen verschiedener Hersteller anbinden und mit geringem initialen Aufwand Stillstandzeiten minimieren kann. Idealerweise können dadurch direkt Mehrwerte bei der Inbetriebnahme, sowohl während der Anlaufzeit als auch im Serienbetrieb der Anlagen geschaffen werden, indem Störungsursachen schnell erkannt, analysiert und Fehler effektiv behoben werden.“
Einbau, Visualisierung, Erprobung
An den Fertigungszellen bei Kamax sind die Steuerungen Siemens Sinumerik 840 D sl und Simatik S7, bei Schuster Maschinenbau Sinumerik One und auf der Roboterzelle bei IP Coswig eine Beckhoff-Steuerung verbaut. Dieses On-boarding des KausaLAssist-Stacks nimmt nur wenige Stunden in Anspruch.
Der Werker vor Ort an der Maschine bekommt aktuelle Meldungen, Störungen, mögliche Ursachen und Lösungen von jeder Maschine angezeigt. Auch lassen sich nicht automatisiert erkannte Fehler manuell einpflegen. Alle Fehler werden in einer Datenbank gespeichert und können im Bedarfsfall an den Maschinenhersteller verschickt werden, zur weiteren Analyse und effektiven Hilfe. Speziell neues Personal an der Maschine wird im Störungsfall sehr viel schneller Abhilfe schaffen können mit dem Assistenten.
Die Produktionsleitung kann Auswertungen der Schicht erstellen, Statistiken abrufen und daraus Optimierungsansätze ableiten.
„Wir möchten unseren Kunden ein Tool an die Hand geben, mit dem die Einsatzzeiten an der Maschine erheblich gesteigert werden. Jeder Fehler kann exakt erkannt werden und mit dem lernenden Ansatz der KI haben wir Optimierungspotenzial in Bedienung und Instandhaltung,“ sagt Christian Steidle, Geschäftsführer bei Schuster Maschinenbau in Denklingen. Er ist überzeugt von dem Assistenten, denn gerade bei komplexen und hochautomatisierten Fertigungen lässt sich die Produktivität signifikant steigern. Schuster Maschinenbau will nach Verfügbarkeit des Tools dieses auch in Zusammenarbeit mit ausgewählten Kunden im Einsatz in der Produktion einsetzen zum Nachweis der Wirksamkeit und Produktivitätssteigerung.
Beim Einsatz von autonomen Roboter-Zellen zur Be- und Entladung von Maschineneinheiten soll die Fehlerbehebung bei Stillständen von der Einheit selbst ausgeführt werden. Diese Zielstellung wird bei IP Coswig in der Testeinheit untersucht. Dazu gibt das KausaLAssist-System nach Analyse der Fehlerursache eine Anweisung für das Vorgehen zur Fehlerbehebung. Die Liste wird der Robotersteuerung übermittelt, die dann die Funktionen zur Fehlerbeseitigung auslöst wie beispielsweise Tasten am Bedienfeld betätigen und gegebenenfalls Späne aus dem Arbeitsraum entfernen et cetera.
Dr. Peter Hentsch, Entwicklungsleiter bei IP Coswig, die im Projekt dieses Szenario realisieren, meint: „Wir können mit dem KausaLAssist und unserem Robo Operator sicherstellen, dass ein mannloser Betrieb im Verbund einer Produktionszelle möglich ist. Dies sorgt auch beim Kunden in der derzeitige Situation des Facharbeitermangels für kontinuierliche Produktivität.“
Die Modellierung des KausaLAssist läuft kontinuierlich weiter bis Projektende (Mitte/Ende 2024). Die Softwareentwicklung und Erprobung finden agil statt und im Monatsrhythmus kommen neue Stände hinzu. Bis Laufzeitende soll eine Serientauglichkeit erreicht sein.
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