FERTIGUNG: Herr Haimer, die Digitalisierung bestimmt heute wesentliche Bereiche unseres Alltags. Unter dem Schlagwort Industrie 4.0 hat sie auch Einzug in Produktionsumgebungen gehalten. Welche Auswirkungen hat dies auf Werkzeuge und deren Umfeld?
Andreas Haimer: Die Digitalisierung der Produktionsprozesse stellt inzwischen für jedes Unternehmen einen Erfolgsfaktor dar. Da das Werkzeug mit seinen spezifischen Daten in der zerspanenden Bearbeitung ein wesentlicher Bestandteil der Prozesskette ist, muss es sich ins digitale Produktionsumfeld einpassen. Dazu gehört, dass alle digitalen Möglichkeiten konsequent implementiert werden – vom Werkzeug an sich, der Werkzeugaufnahme inklusive dem Spannvorgang, dem Wuchten bis hin zur Werkzeugvoreinstellung und dem Einsatz auf der Maschine.
Nun ist Haimer durch sein eigenes Hartmetall-Werkzeugangebot und die Microset-Werkzeugvoreinstelltechnik zum Systemanbieter fürs Werkzeugmanagement rund um die Werkzeugmaschine geworden. Was bedeuten die genannten Anforderungen für Sie?
Haimer: Für uns – wie für alle anderen Werkzeughersteller – gilt es, ein digitales Serviceangebot für die Kunden bereitzustellen, das heißt zum Beispiel, dass sämtliche Werkzeugdaten online abrufbar sind. Außerdem müssen wir einen digitalen Workflow der Werkzeugdaten ermöglichen.
Alle Komponenten und Geräte fürs Schrumpfen, Wuchten und Voreinstellen sollten in den digitalen Prozess einzubinden und automatisierbar sein. Dazu gehört für uns auch eine Toolmanagementlösung, die in der Lage sein muss, dieses komplette Werkzeugumfeld einfach handhabbar zu machen – gerade mit Blick auf kleine und mittelständische Unternehmen.
Was heißt das konkret?
Haimer: Wir bieten all unsere Produkte auch Industrie-4.0-fähig an, so dass der Kunde sie in seinen digitalen Workflow eingliedern kann. Unsere Werkzeuge gibt es beispielsweise mit RFID-Datenchips oder QR- beziehungsweise Data Matrix-Codes. So lassen sie sich eindeutig identifizieren und liefern über diese Erkennung weitere Werkzeugdaten wie Artikelnummer, 3D-Modelle usw.
Um die Digitalisierung weiter voranzutreiben, haben wir sogar eine eigene Tool-Management-Software entwickelt, den Haimer-Data-Analyzer und Controller (DAC), der den Austausch von Soll- und Ist-Werten sowie anderer Werkzeugdaten zwischen den einzelnen Stationen im Werkzeugraum und dem Unternehmensnetzwerk herstellt und managt. Zudem sind unsere Geräte aus der Industrie-4.0-Serie durch moderne digitale Features und Schnittstellen automatisierbar.
Wie sehen Sie die derzeitige gesamtwirtschaftliche Situation?
Haimer: Die Verunsicherung bei produzierenden Unternehmen ist zu spüren. Dazu tragen die Umwälzungen in der Automobilindustrie ebenso wie der Handelsstreit zwischen den USA und China bei. Seit Mitte letzten Jahres merken wir die Investitionszurückhaltung bei vielen Automobilzulieferern. Auch der Produktionsstopp für die Boeing 737 Max lässt für unsere Industrie Konsequenzen erwarten.
Zudem ist das gesamte Asien-Geschäft, vor allem mit China, sehr schwierig geworden. Das erste Quartal 2020 kann durch den Corona-Virus ebenfalls abgeschrieben werden. Trotz dieser Herausforderungen bleiben wir optimistisch und hoffen, dass sich die Situation in diesen Märkten voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2020 wieder beruhigen wird. Wenn sich dann der Investitionsstau löst, streben wir ein ähnliches Ergebnis wie in den letzten beiden Jahren an.