Herr Hohnen, was wird sich unter Ihrer Führung bei Forkardt ändern?
Zunächst möchte ich wieder zu dem zurück, was Forkardt einmal ausgezeichnet hat, denn wir wurden in den vergangenen Jahren nahezu ausschließlich als Problemlöser gesehen.
Ein Beispiel sind die Spanndorne zur Bearbeitung der Außentanks an der Ariane 5 oder auch andere doch recht spektakuläre Entwicklungen beziehungsweise Konstruktionen in der Herstellung von Kugellagerbauteilen. Ich möchte wieder dahin, dass wir gemeinsam mit dem Endkunden nicht nur die Hightech-Lösung im Fokus haben. Wir wollen vorrangig die Lösung anstreben, die von Effizienz und Zuverlässigkeit geprägt ist. Das heißt, die Spanntechnik muss mit der Bearbeitungsvorgabe an das Werkstück gemeinsam mit dem Kunden konzipiert und ausgelegt werden. Also dauerhafte Lösungen mit beherrschbarer Technik.
Hier muss allerdings auch die Forderung nach der Genauigkeit des Spannmittels, dem realistischen Bedarf an benötigten Toleranzen entsprechen. Das heißt, jedes µm an der Spannmittelgenauigkeit nochmals zu spalten, macht keinen Sinn. Wir erarbeiten gemeinsam mit dem Kunden die spanntechnische Lösung, um letztendlich die optimalen Produktionshilfsmittel der Zukunft herzustellen.
Sie sind ja bereits seit Jahren – wenn auch mit Unterbrechung – für Forkardt, unter anderem in der Konstruktion und ab 2013 als Vertriebsleiter tätig gewesen. Wird das auch Auswirkungen auf das künftige Produktportfolio und die Vertriebsstrategie haben?
Ja, denn wir müssen uns an dem orientieren, was möglich ist. Ich bin Techniker, und darum weiß ich, dass unsere Produktentwicklung absolut den werkstoffspezifischen, fertigungstechnischen und physikalischen Gesetzmäßigkeiten folgen muss. Wir können keine Fliehkräfte in der Spannmittelkonstruktion ignorieren oder Verformung des Werkstücks in der Spannsituation wegzaubern. Wie bereits erwähnt, stehen so künftig nicht Visionen, die vielleicht in fünf Jahren zu realisieren sind, im Vordergrund, sondern es geht um praktikable Lösungen.
Eine generelle Frage: Wo sieht Forkardt seinen Schwerpunkt, im Bereich der Standards oder mehr bei Sonderlösungen?
Da muss man differenzieren. Was ist ein Standard- und was ist ein Sonderspannfutter? Vor Jahren waren Schwenk- oder 6-Backen-Hebelausgleichfutter reine Sonderfutter, heute sind die Standard. Das heißt, Standardspannmittel oder Spannmittel mit Multiplikationspotenzial haben ihren Ursprung immer in einer Sonderlösung. Einstieg und Basis für zugeschnittene Sonderlösungen bildet beispielsweise unser Spannfutterprogramm QLC. Über eine ausgereifte Baugruppenfertigung sind wir damit in der Lage, kundenspezifisch Modifikationen zeitnah umzusetzen und mit zugeschnittenen Anbauteilen und Spannbacken abzurunden. Da gibt es geringfügige Modifikationen bis hin zur Sonderlösung. Zunächst versuchen wir, das spanntechnische Problem immer mit einem Standardfutter zu lösen. Ein anderes Beispiel ist die Rüstzeitenoptimierung. Wir haben seit Jahren unsere Standard-FNC-Futter. Wenn das vernünftig eingesetzt wird, kann damit eine Rüstzeitensituation erreicht werden, die selbst für die Kleinserienfertigung ideal ist. Solche Standards sind leider immer mehr durch „Sonderfutter“ in den Hintergrund geraten. Das heißt, ich will nicht weg vom „Sonderfutter“, möchte aber auch nicht vom Standard leben. Für mich sind es vielmehr die zugeschnittenen Lösungen, die für den Kunden und uns eine sichere Handhabung und Spannsituation garantieren.
Im Gegensatz zu den Billiganbietern – auch aus Fernost – spricht Forkardt von hochwertigen Standards. Kann man das näher definieren?
Ich sehe das realistisch, alles was in China oder Japan sehr stückzahlorientiert produziert wird, entspricht dem geforderten Standard einer Werkzeugmaschinengrundausstattung. Die Preissituation ist unschlagbar. Deshalb sind wir gezwungen, höherwertige Premiumprodukte mit beispielsweise anderen Backenführungen oder mit Schnellwechselsystemen zu entwickeln und herzustellen. Wir müssen also ständig gemeinsam mit unseren Kunden an Alleinstellungsmerkmalen unserer Produkte arbeiten. Für unsere Kunden sollten das aber Merkmale sein, die ihnen einen messbaren Nutzen und mehr Effizienz bringen.
Speziell entwickelte Backenführungen in der QLC-Futter-Baureihe, das Schnellwechsel-System ForChange oder auch der E-Zylinder, mit solchen Neuentwicklungen sorgt Forkardt kontinuierlich für Bewegung im Markt. Was motiviert Sie zu einer derart intensiven Entwicklungsarbeit, woher kommen diese Anforderungen und was ist daraus geworden?
Diese Anforderungen kommen ganz klar aus dem Markt. Das ForChange-System und auch die QLC-Backenführungen haben sich als Standard im Markt etabliert. Der E-Zylinder war ein sehr großer Sprung nach vorn. So lange wir aber nicht die entsprechenden Stückzahlen fertigen können, wird dieses Produkt weiter kostenintensiv sein. Der E-Zylinder ist ein gutes Beispiel, denn er wird eine Zukunft haben, jeder will ihn, aber bislang möchte keiner die Kosten übernehmen.
Forkardt hat Ende 2014 die Fertigung nach Reutlingen-Mittelstadt verlagert. Grund war, dass man die Kapazitätsgrenzen bei der Fertigung von Sonderspannfutter erweitern wollte. Außerdem haben Sie am neuen Standort im Gegensatz zu früher zusätzlich eine Konstruktion, die Arbeitsvorbereitung, das Zentrallager und einen Servicestützpunkt installiert. Inwieweit wirkt sich das jetzt auf die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, der Serviceeinsatz und Kundennähe aus?
Wir haben uns hier in Reutlingen in den letzten vier Jahren personell um 100 Prozent verstärkt. Auch um noch mehr Kundennähe zu praktizieren. Unser Ziel, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, den Serviceeinsatz und die Kundennähe zu optimieren, hat sich so durchwegs positiv entwickelt und ist bereits nahezu vollständig umgesetzt. Den Servicetechniker, der hier nahe am Zentrallager ist, kann man mit ganz anderen Reaktionszeiten ausstatten. Hinsichtlich der Kundennähe ist es so, dass in Bayern und Baden-Württemberg der Großteil unserer Kunden sitzt und da ist der Standort Reutlingen natürlich ideal.
Die Forkardt-Gruppe ist international mit Standorten in den USA, Frankreich, China und Indien aufgestellt. Diese Aktivitäten sollten gebündelt und neu ausgerichtet werden. Was hat sich bisher getan, und was wird noch geschehen?
Wir haben mittlerweile eine internationale Vertriebsplattform mit weltweit agierenden Sales-Koordinatoren installiert. Diese Koordinatoren versuchen, Anwender und Anwendungen unter dem Gesichtspunkt der Multiplikation erfolgreich weltweit zu vermarkten. Eine einheitliche Marketingbasis und unsere gemeinsame CAD-Plattform lassen uns in der Gruppe geschlossener auftreten. Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, bei regionalen Problemstellungen auf konkrete Lösungen im zentralen Register zurückzugreifen. Den früher nur regional erarbeiteten spanntechnischen Lösungen können wir nun Anwendungen in der ganzen Welt zuordnen.