Herr Becker, 37 Jahre Becker Diamantwerkzeuge sind eine klare Ansage als Werkzeughersteller an den Markt. Wo liegen die Stärken Ihres Unternehmens?
Unsere Stärken liegen ganz klar in der Standardisierung der Diamantschneiden. Früher wurden Diamantschneiden quasi auf Kundenwunsch maßgefertigt und in kleinen Losgrößen produziert. Durch die hohe Beratungsintensität und Kleinserien waren Diamantwerkzeuge sehr teuer, so dass diese von einigen Unternehmen sogar als Investition angesehen wurden. Heute sind wir in der Lage, ISO-Wendeschneidplatten, bestückt mit PKD, zu einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten. Die Lieferung erfolgt ab Lager. Eine technische Unterstützung für solche Schneiden ist regelmäßig nicht notwendig. Wenn ich mich 20 Jahre zurückerinnere, so wurde damals für geschliffene Hartmetallschneiden in etwa derselbe Preis verlangt, den Sie nun für PKD-Schneiden bezahlen müssen. Unsere Stärken liegen also im Preis-/Leistungsverhältnis, gepaart mit der hohen Verfügbarkeit und Qualität der ISO-Wendeschneidplatten.
Becker-Diamantwerkzeuge zeichnen sich durch eine extrem scharfe Schneidkante sowie hohe Standfestigkeit aus. Wie groß ist das Entwicklungspotenzial, dass Sie in Ihre Tools investieren?
Nehmen wir den Bereich der monokristalinen Diamantschneide, die immer noch sehr aufwendig geschliffen werden muss, heraus, so sehe ich das größte Entwicklungspotenzial in der Lasertechnik. Mit dem Laser sind wir in der Lage, Diamant (PKD und CVD) zu bearbeiten, ohne dass Drücke entstehen. Dabei erreichen wir µ-genaue Toleranzen, die beim Schleifen einen erheblichen Aufwand erfordern. Wir sehen uns als einer der Pioniere dieser Technik und legen daher den Fokus der Entwicklungen voll in diesen Bereich.
Ihr Vater meinte einmal, dass die Leistungsfähigkeit von Diamantwerkzeuge eigentlich zu wenig bekannt sei. Ist das immer noch so, oder findet bei den Anwendern – bedingt durch die neuen Werkstoffe – bereits ein Umdenken statt?
Ich bin der Ansicht, das Umdenken hat bereits stattgefunden. Erkennbar ist dies daran, dass große Hartmetallhersteller mit entsprechendem Marketingbudget Diamantschneiden entsprechend bewerben. Ein Grund hierfür sehe ich in den zu bearbeitenden Aluminiumsorten mit hohem Siliziumgehalt, welche auch für Diamantwerkzeuge eine hohe Herausforderung stellen. Des Weiteren werden im Leichtbau mehr und mehr faserverstärkte Kunststoffe eingesetzt, deren Bearbeitung meines Erachtens nur noch mit scharf geschliffenen Diamantschneiden wirtschaftlich machbar ist. Hier wird allerdings seitens der großen Hartmetallhersteller Diamant nur als Beschichtung beworben. Dass diese beschichteten Werkzeuge nur bedingt funktionieren, liegt allerdings nicht am Diamant, sondern an der Tatsache, dass Diamantschichten – als Ummantelungen – nie die entsprechende Schärfe erzielen können.
Wie groß ist das Marktpotenzial für Diamantwerkzeuge im Vergleich zum Hartmetall?
Ich räume den Diamantwerkzeugen nach wie vor ein hohes Marktpotenzial ein. Dadurch, dass die Werkzeuge den Nimbus des teuren Investitionsguts verloren haben, kommen bei den Kunden mehr und mehr Werkstoffe aus der Schublade, die nur mit Diamantwerkzeugen wirtschaftlich zerspanbar sind. Für das Hartmetall wage ich keine Aussage zu treffen, da ich hierfür zu branchenfremd bin. Allerdings gilt stets der Grundsatz: „Totgesagte leben länger“.
Gibt es eine Faustformel, wann sich der Umstieg von Hartmetall auf Diamant rechnet?
Die Faustformel ist ganz einfach: Für die Zerspanung mit NE-Metallen rechnet sich Diamant im Vergleich zum Hartmetall immer, es sei denn, man kann aufgrund infrastruktureller Gegebenheiten den Produktivitätsgewinn, den der Diamant bietet, nicht realisieren. Darüber hinaus sollte man immer beachten, dass der Diamant gekühlt werden muss und nicht besonders schlagresistent ist.
Vor einigen Jahren haben Sie sich beim koreanischen Rohstoff-Unternehmen ADICO eingekauft. Konnten Sie sich dadurch einen Entwicklungsvorsprung am Markt erarbeiten?
Das Jointventure mit ADICO war für uns ein notwendiger und richtiger Schritt. Die meisten unserer Wettbewerber beziehen ihre Rohstoffe von den zwei bekannten großen Herstellern. Durch die Zusammenarbeit mit ADICO werden unsere Werkzeuge Becker-spezifisch und einzigartig. Darüber hinaus wurden gerade im CBN-Bereich verbesserte Sorten entwickelt, was auf die Zusammenarbeit zwischen Werkzeughersteller und Rohstoffproduzent zurückzuführen ist. Somit haben wir stets einen kleinen Entwicklungsvorsprung, da ADICO als selbständiges Unternehmen seine Produkte und Innovationen auch dem allgemeinen Markt zugänglich macht.
Sie haben das Zepter vor einigen Jahren von Ihrem Vater übernommen. Welchen Leitsatz hat er Ihnen mit auf den Weg gegeben?
Ich bin seit etwa zwei Jahren Geschäftsführer der Becker Diamantwerkzeuge GmbH für den Geschäftsbereich Finanzen und allgemeiner Vertrieb. Mit dem Ausscheiden meines Vaters im letzten Jahr wurde die technische Seite an den Geschäftsführer Alexander Franz übertragen. Zusammen führen wir den Leitsatz weiter, dass trotz des härter werdenden Wettbewerbs das Soziale im Vordergrund steht und wir in jedem Fall am Produktionsstandort Deutschland festhalten.