Die Super-Precision-Baureihe  T51 SP MSY.

Die Super-Precision-Baureihe – hier die T51 SP MSY – punktet mit hoher Steifigkeit und geometrischer Genauigkeit. (Bild: Hardinge)

Rotationssymmetrische Werkstücke wie zum Beispiel Wellen dürfen an den zylindrischen Flächen wie Lagersitzen und Dichtflächen keinen Drall aufweisen. Besonders wichtig ist das bei Bauteilen für die Gas- und Ölindustrie.

Die Oberflächenstruktur von Lager- und Dichtungsflächen unterliegt dort höchsten Anforderungen. Dazu gehören neben der Drallfreiheit auch minimale Rauhigkeitswerte, um eine langlebige Funktion von Dichtungen und Wälzlagerungen sicherzustellen. Die gewünschte drallfreie Finish-Präzision erreicht man natürlich mit aufwendigen Schleifoperationen.

Doch Drehmaschinenhersteller versuchen ihrerseits seit Jahren, ja Jahrzehnten, mit den unterschiedlichsten Drehverfahren dieselbe Oberflächengüte zu erreichen. Mit drallfreien Drehverfahren können Bauteile komplett auf der Drehmaschine bearbeitet werden. Das Schleifen entfällt und damit auch das Umspannen der Werkstücke auf eine Schleifmaschine. Resultat ist unter anderem eine Verkürzung der Bearbeitungszeiten und eine gesteigerte Prozesssicherheit.

Zu den drallfreien Drehverfahren gehören unter anderem das sogenannte Rotations-Drehen, bei dem durch das gleichzeitige Rotieren von Werkstück und Werkzeugschneide eine drallfreie Oberfläche erzeugt wird, sowie das Tangentialdrehen, das sich besonders zum drallfreien Drehen von gehärteten Werkstücken eignet und im besten Fall eine hochwirtschaftliche Alternative zum Schleifen darstellt.

Beim Tangentialdrehen ist die Werkzeugschneide schräg zur Vorschubeinrichtung angestellt. Beim Drehvorgang wird diese in X-Achsenrichtung um die Schnitttiefe zugestellt und tangential in Y-Achsenrichtung am Werkstück abgewälzt. Der Schneideneingriffspunkt wandert während der Bearbeitung kontinuierlich über die gesamte Schneidenbreite. Dabei wird eine drallfreie Oberflächenstruktur erzeugt. Gleichzeitig wird die Belastung der Werkzeugschneide über die ganze Schneidenbreite verteilt, was in einer deutlichen Erhöhung der Werkzeugstandzeit resultiert. Die Werkzeuge sind aus hochharten Schneidstoffen wie PcBN oder PKD gefertigt und werden im Revolver der Drehmaschine aufgenommen.

„Das Tangentialhartdrehen ist eine Marktnische mit sehr viel Potenzial.“

Dario Pola, Applikationstechniker bei Hardinge

Super-Precision-Serie

Mit dem Auslaufen des Patentschutzes für ein Tangentialdrehverfahren ergab sich für Hardinge die Chance, dieses für die Drehmaschinen der Super-Precision-Serie zugänglich zu machen. Den Anstoß dazu hatte ein Hersteller von Baumaschinen und Baugeräten gegeben, der für die Bearbeitung von Getriebeteilen eine Maschine suchte, die diese Werkstücke hochpräzise bearbeiten konnte und in der gleichen Aufspannung für eine drallfreie Oberfläche der relevanten Partien sorgen konnte. Diese wurde bisher nach dem Umspannen in einem weiteren Bearbeitungsschritt auf einer Schleifmaschine erzeugt. Kunde und Maschinenhersteller waren bereit, die Applikation des Tangentialhartdrehens auf einer T51 SP MSY anzugehen.

Hardinge Applikationstechniker Dario Pola kennt als Projektverantwortlicher die Anforderungen, die das Verfahren an Maschine und Werkzeuge stellt. Er sagt: „Das Tangentialhartdrehen ist eine Marktnische mit sehr viel Potenzial. Unser Versuch hat gezeigt, dass wir mit diesem Verfahren auf unseren Maschinen der Super-Precision-Baureihe in puncto Drallfreiheit dem Schleifen ebenbürtige Ergebnisse erzielen können. Und das zu sehr viel geringeren Kosten.“

Die Maschinen der Hardinge-Super-Precision-Baureihe zeichnen sich durch die für drallfreies Hartdrehen erforderliche hohe Steifigkeit und geometrische Genauigkeit aus. Eine hohe Bahn- und Interpolationsgenauigkeit bei geringer Positionsunsicherheit und -streubreite sorgt für ein überzeugendes Bearbeitungsergebnis. Ein 45°-Vollgussmaschinenbett, verfüllt mit Harcrete-Polymerbeton bietet höchste Schwingungsdämpfung. Dadurch werden bessere Oberflächengüten, längere Werkzeugstandzeiten und stabile Prozessabläufe erreicht. Der Einsatz einer unabhängigen Y-Achse verbessert die Genauigkeit. Eine präzise und in sich stabile Y-Achse ist für das Tangentialhartdrehen notwendig.

Die Hauptspindeln bieten mit Drehzahlen von 6.000 (T42) beziehungsweise 5.000 U/min (T51 und T65) die für das Hochgenauigkeitsdrehen benötigte Leistung. Die Spindeln sind gehärtet und geschliffen und bestehen aus einem Stück. Sie sind in ein robustes Spindelstockgehäuse eingebaut und am Maschinenbett befestigt. Hierdurch ist eine optimale Steifigkeit gewährleistet. Zentral liegende überdimensionierte Kugelrollspindeln sowie kompakt aufgebaute mehrreihige Linearführungen ermöglichen es, die beim Hart- und Hochpräzisionsdrehen auftretenden Kräfte aufzufangen und zu übertragen.

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Das Werkzeug ist um 30° schräg angestellt.
Das Werkzeug ist um 30° schräg angestellt. (Bild: Hardinge)

Unter Einbindung eines namhaften Werkzeugherstellers wurde das Tangentialhartdrehen auf einer T51 SP MSY getestet. Gemeinsam mit dem Kunden wurde eine Versuchsanordnung gewählt, die die realen Gegebenheiten widerspiegelt. Das zu bearbeitende Bauteil ist aus Stahl 100Cr6 mit Härte 58+2 HRC. Besonderes Augenmerk wurde auf die stabile Klemmung Wendeschneidplatte im auf die Kundenanforderungen ausgelegten Sonder-Werkzeughalter gelegt (BMT55 und 25 x 25 mm-Quadratschaft-Werkzeug).

Zum Einsatz kam eine CBN-Wendeschneidplatte für gehärtete Bauteile (ebenfalls eine Sonderlösung), die mit 30 bis 45° Schräge und stabiler Pratzenklemmung im Werkzeughalter fixiert wurde. Eine Hartmetallvariante ist abhängig vom Einsatzfall optional möglich. Die Wendeschneidplattengröße definiert maßgeblich die maximal bearbeitbare Fläche am Bauteil.

Die Ergebnisse des Applika­tionsversuchs fasst Pola so zusammen: „Voraussetzungen für das erfolgreiche Tangentialhartdrehen ist eine extreme Steifigkeit der Maschine in den Arbeitsachsen X, Z und Y sowie eine ebenso extreme Steifigkeit des Werkzeugrevolvers. Das Verfahren muss sehr kundenspezifisch ausgelegt werden. Für jeden Bearbeitungsfall muss das Werkzeug und der Werkzeugschneidstoff genau angepasst werden. Aber mit diesem Verfahren, dem Abwälzen des Schnittpunktes über die lineare Verfahrbewegung in der Y-Achse, lässt sich beispielsweise die drallfreie Bearbeitung von Wellen mit Dicht­ringsitzen durchgängig auf einer Drehmaschine durchführen, mit besten Resultaten.“

Mit der erreichten Verkürzung der Prozesskette wird die Anzahl der Maschinen, der Platzbedarf, die Durchlaufzeit und der Handlingsaufwand deutlich minimiert. Neben der Bearbeitungszeit können die ­gesamten Investitionskosten und die Fertigungsstückkosten signifikant verringert werden. Im Technikum in Krefeld erhalten Kunden einen kompletten Support rund um die Applikation – samt Schulung und Service.

Quelle: Hardinge GmbH

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