Das Online-Softwaretool CoroPlus Tool Path ermöglicht die Programmierung von NC-Codes und anderen Parametern für eine optimierte Bearbeitung.

Das Online-Softwaretool CoroPlus Tool Path ermöglicht die Programmierung von NC-Codes und anderen Parametern für eine optimierte Bearbeitung. (Bild: Sandvik Coromant)

Die Märkte für Elektrofahrzeuge entwickeln sich zu vielfältigeren und wettbewerbsintensiveren Märkten als die Automobilmärkte der Vergangenheit, da große, etablierte Unternehmen wie Porsche mit kleinen, global expandierenden Herstellern wie Polestar konkurrieren. Auf globaler Ebene müssen diese Unternehmen ihren Rückstand gegenüber China aufholen – laut Statista werden 2021 sechs der zehn weltweit meistverkauften Plug-in-Elektrofahrzeuge von chinesischen Marken stammen.

Für die Erstausrüster verändern sich durch den verschärften Wettbewerb die Anforderungen an die Komponenten. Elektroautos haben Bauteile, die kleiner und leichter sind und zudem einem höheren Drehmoment des Elektromotors standhalten müssen. Die Bauteile müssen zudem eine höhere Energieeffizienz und eine höhere Leistungsdichte unterstützen. Daraus ergeben sich sehr hohe Anforderungen an die Bauteile, die zu einem Wandel in der Werkstofftechnik geführt haben.

Die Märkte für Elektrofahrzeuge sind zunehmend diversifiziert, da große, etablierte Unternehmen mit kleineren Herstellern konkurrieren.
Die Märkte für Elektrofahrzeuge sind zunehmend diversifiziert, da große, etablierte Unternehmen mit kleineren Herstellern konkurrieren. (Bild: Sandvik Coromant)

Höhere Anforderungen an Fertigungsqualität und -effizienz

Sandvik Coromant geht davon aus, dass diese Entwicklung auch zu einem zunehmenden Einsatz von hochfesten Stählen führen wird, wodurch deren Anteil an allen im Automobilbau verwendeten Werkstoffen von etwa 15 Prozent im Jahr 2010 auf 38 Prozent im Jahr 2030 steigen wird. Diese Werkstoffe, einschließlich reiner und ultrareiner Stähle, werden aus Legierungselementen hergestellt. Sie sind in der Lage, den Herausforderungen wie dem höheren Drehmoment standzuhalten, da sie weniger metallurgische Verunreinigungen enthalten.

Aber wie wirkt sich das auf die Zerspanbarkeit aus? Bei reinen und ultrareinen Stählen nimmt die Verformbarkeit des Werkstoffs zu, da die geringeren Verunreinigungen die Zerspanung hinsichtlich Spanbruch und Spanabfuhr erschweren. Die Werkstoffe sind zäher, was höhere Schnittkräfte bei der Bearbeitung erfordert und zu stärkerem Werkzeugverschleiß führt. Und während hochfeste, reine oder ultrareine Stähle schwieriger zu bearbeiten sind, erhöht die zunehmende Digitalisierung und computergestützte Fertigung die Anforderungen an die Fertigungsqualität und -effizienz.

Leistungsfähigere Werkzeugmaschinen für mehr Qualität und Effizienz

Das sind die Herausforderungen, denen sich die Automobilhersteller in der Zerspanung stellen müssen, und wer es versäumt, seine Produktionsprozesse zu modernisieren oder sich auf Althergebrachtes zurückzieht, läuft Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten. Doch wie können Unternehmen mit den Trends Schritt halten? Die Antwort liegt in immer leistungsfähigeren Werkzeugmaschinen, aber auch in neuen Bearbeitungsmethoden, die darauf ausgelegt sind, optimierte Qualität mit verbesserter Effizienz, Durchlaufzeiten und Kosteneinsparungen zu unterstützen – auch bei der Bearbeitung von hochfesten Stählen. Es ist allgemein bekannt, dass eine wirksame Spankontrolle zur Produktivität und Zuverlässigkeit des Bearbeitungsprozesses sowie zur Qualität der bearbeiteten Oberflächen beiträgt. Es ist daher sinnvoll, die Spankontrolle und ihre Auswirkungen auf die Produktivität der Bearbeitung und den Werkzeugverschleiß näher zu betrachten.

Wenn die Wendeschneidplatte das Werkstück in einem Winkel von etwa 90 Grad bearbeitet, ist die Spandicke gleich dem Vorschub (fn) – bei einem fn-Wert von 1 Millimeter/Umdrehung ist der Span also 1 Millimeter dick. Da der Span umso dünner ist, je kleiner der Einstellwinkel ist, kann der fn-Wert entsprechend erhöht werden. Verringert man beispielsweise den Einstellwinkel von 90 auf 25 Grad und erhöht gleichzeitig fn von 0,25 auf 0,6 Millimeter/Umdrehung, bleibt die Span­dicke gleich. Das Ergebnis ist eine produktivere Bearbeitung bei gleicher Spankontrolle.

Die zweite Generation der CoroTurn-Prime-B-Wendeschneidplatten verfügt über vier Schneidkanten für eine noch wirtschaftlichere Bearbeitung.
Die zweite Generation der CoroTurn-Prime-B-Wendeschneidplatten verfügt über vier Schneidkanten für eine noch wirtschaftlichere Bearbeitung. (Bild: Sandvik Coromant)

Um dies zu ermöglichen, hat Sandvik Coromant das Drehverfahren PrimeTurning entwickelt, bei der die Bearbeitung mit einem kleinen Einstellwinkel erfolgt, um eine sehr hohe Produktivität und lange Werkzeugstandzeiten zu erzielen. Die Methode bietet die Flexibilität, in alle Richtungen zu drehen und dabei eine höhere Effizienz und Produktivität als beim konventionellen Drehen zu erreichen. PrimeTurning hat bei Kunden sowohl zu einer höheren Produktivität als auch zu längeren Werkzeugstandzeiten geführt. Das Verfahren erfordert jedoch spezielle Werkzeuge, um die Vorteile nutzen zu können. Herkömmliche Werkzeuge bieten nicht das gleiche Maß an Spankontrolle oder die passenden Freiwinkel und können daher in der Praxis nicht eingesetzt werden.

Aus diesem Grund hat Sandvik Coromant die CoroTurn-PrimeTurning-Werkzeuge entwickelt, deren neueste Entwicklung die zweite Generation der CoroTurn-Prime-B-Wendeschneidplatten ist. Die Werkzeuge verfügen über doppelseitige, negative Wendeschneidplatten mit vier Schneidkanten, die für eine kosteneffi­zientere Bearbeitung ausgelegt sind, sowie über einen neuen robusten Plattensitz und optimierte Geometrien. Diese Eigenschaften ermöglichen tiefere Schnitte (mm) bei höheren Schnittgeschwindigkeiten (Millimeter/Umdrehung) und eine bessere Spankontrolle bei der Bearbeitung von hochfesten und anderen zähen Stählen.

Vermeidung von Spänestaus

Die Vorteile von PrimeTurning werden durch die CoroPlus-Tool-Path-Software noch einmal verstärkt. Der Online-Werkzeugweggenerator stellt NC-Codes und Techniken für die Programmierung der richtigen Parameter und Variablen für eine bestimmte Bearbeitungsanwendung bereit. Wenn diese präzisen Schnittdaten in Kombination mit CoroTurn Prime Werkzeugen verwendet werden, profitiert der Anwender von kleineren Einstellwinkeln, einer effizienten Nutzung der Schneidkante und der Vermeidung von Spänestaus.

Da PrimeTurning auch CAM-Software und Programmierunterstützung umfasst, hat Sandvik Coromant Partnerschaften mit Mastercam, TopSolid, Siemens NX, CAMWorks und GibbsCAM aufgebaut. Damit ist sichergestellt, dass PrimeTurning und CoroPlusTool Path in den wichtigsten CAM-Softwarepaketen enthalten sind. Fertigungsunternehmen, die keine CAM-Software einsetzen, können die bereits erwähnte CoroPlus-Tool-Path-Software zur Generierung von NC-Codes verwenden.

PrimeTurning

Mit PrimeTurning ist die Entwicklung einer Lösung gelungen, die nicht nur die Problematik der Spankontrolle beilegt, sondern zahlreiche Vorteile bietet. Tatsächlich besteht das Potenzial, den Vorschub zu verdoppeln und die Schnittgeschwindigkeit im Vergleich zur konventionellen Drehbearbeitung erheblich zu steigern.

Sehr hohe Schnittgeschwindigkeit

In der Praxis wollte ein Kunde aus der Automobilindustrie ein Werkstück aus DIN 48CrMoV6-7 auf einer Emag-VSC-250-Drehmaschine schruppen. Ziel war es, in der Serienfertigung eine höhere Produktivität und Standzeit zu erreichen. Der Kunde wusste aber, dass eine Anpassung der Werkzeugdaten nicht ausreicht. Daher sollte der Prozess, obwohl es sich primär um eine Schruppbearbeitung handelte, mit intermittierendem Außendrehen und Plandrehen im PrimeTurning-Verfahren durchgeführt werden.

Zu diesem Zweck empfahl Sandvik Coromant die zweite Generation der CoroTurn-Prime-B-Wendeschneidplatten. Diese wurden im Vergleich zu den bisherigen Wendeschneidplatten des Kunden getestet, um die jeweilige Leistung beurteilen zu können. Beide Werkzeuge wurden bei einer identischen Schnittgeschwindigkeit (vc) von 180 Meter/Minute und einer axialen Schnitttiefe (ap) von 1,5 bis 1,8 Millimeter eingesetzt. Die CoroTurn Prime B-Gen 2 arbeitete jedoch mit einer mehr als doppelt so hohen fn von 0,65 gegenüber 0,3 Millimeter/Umdrehung bei der Wettbewerbslösung.

Sandvik Coromant hat das PrimeTurning-Verfahren entwickelt, bei der die Bearbeitung mit einem kleinen Einstellwinkel für höhere Produktivität und längere Werkzeugstandzeiten sorgt.
Sandvik Coromant hat das PrimeTurning-Verfahren entwickelt, bei der die Bearbeitung mit einem kleinen Einstellwinkel für höhere Produktivität und längere Werkzeugstandzeiten sorgt. (Bild: Sandvik Coromant)

Obwohl die Standzeit der beiden Wendeschneidplatten in etwa gleich war (9,58 Minuten für die Wettbewerbslösung gegenüber 10 Minuten für die Sandvik-Coromant-Wendeschneidplatte, gab es einen deutlichen Unterschied in der Produktivität: Das Wettbewerbswerkzeug erreicht eine Standzeit von lediglich 25 Komponenten bei einer Bearbeitungszeit von 23 Sekunden/Bauteil. Die Standzeit der CoroTurn Prime B-Gen 2 hat sich mit 50 Werkstücken mehr als verdoppelt, bei einer etwa halbierten Bearbeitungszeit von nur 12 Sekunden/Werkstück. Die CoroTurn-Prime-B-Wendeschneidplatte wies außerdem einen vorhersagbareren Kantenverschleiß und eine bessere Spankontrolle auf.

Sandvik Coromant geht davon aus, dass die zweite Generation der CoroTurn-Prime-B-Wendeschneidplatten auch anderen Kunden in der Automobilindustrie, einschließlich der Hersteller von Elektrofahrzeugen, ähnliche Vorteile bieten kann. Durch den Einsatz dieser Wendeschneidplatten in Verbindung mit dem PrimeTurning-Verfahren können Unternehmen bei der Bearbeitung schwer zerspanbarer Werkstoffe Zeit einsparen und gleichzeitig die Werkzeugstandzeiten erhöhen. Und so können Automobilhersteller, wie Holweg sagt, diversifizieren, indem sie eine führende Rolle in Design, Technologie oder Fertigung übernehmen.

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