Das Highspeed-Wirbeln ermöglicht einen kontinuierlichen Schnitt.

Das Highspeed-Wirbeln ermöglicht einen kontinuierlichen Schnitt durch parallele Drehbearbeitung. (Bild: Horn/Sauermann)

Wirbelsäule oder am Oberschenkelknochen – zum Fixieren von Knochenfragmenten gibt es eine enorme Vielfalt an unterschiedlichen Schraubenvarianten. Knochen ist nicht gleich Knochen. Je nach Beschaffenheit des Knochens wie beispielsweise Härte, Porosität oder Knochenmark wählt der Chirurg die passende Schraube aus. Neben selbstsichernden Schrauben über konische Gewindegänge oder variablen Steigungen kommen auch Schrauben mit einer Durchgangsbohrung zum Einsatz, durch welche Knochenzement zur Stabilisierung gespritzt werden kann.

Die Herstellung von Knochenschrauben muss zwangläufig über ein zerspanendes Verfahren erfolgen, da der Werkstoff für diese Art von Schrauben nicht verdichtet werden darf, wie es beispielsweise beim Gewinderollen geschieht. Gerade der Werkstoff Titan, welcher wegen seiner hohen Biokompatibilität hauptsächlich im menschlichen Körper zum Einsatz kommt, neigt bei zu hoher Materialverdichtung zum Verbrennen. Als spanabhebendes Verfahren hat sich der Prozess Gewindewirbeln seit Jahren etabliert. Das Wirbelverfahren ist bereits seit 1942 bekannt und unterlag lange Zeit keine wesentlichen Weiterentwicklungen.

Bearbeitung von Titanlegierungen.
Für die Bearbeitung von Titanlegierungen kommt die Sorte IG35 zum Einsatz. (Bild: Horn/Sauermann)

Das konventionelle Gewindewirbeln ist ein Verfahren, das vorwiegend auf Langdrehmaschinen zur Fertigung von Knochenschrauben aber auch in größerer Dimension für die Herstellung von Gewindespindeln eingesetzt wird. Im Prozess wird der schnell rotierende Wirbelkopf exzentrisch zur Werkstückachse vor der Führungsbuchse des Langdrehers angestellt und das langsam rotierende Werkstück mit einer axialen Vorschubbewegung in den Wirbelkopf geführt.

Podcast: Markus Horn zur Lage in der Werkzeugbranche

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Kinematik des Langdrehers.
Die Kinematik des Langdrehers ermöglicht eine effektive und zeitgleiche Bearbeitung mit zwei, drei oder vier Werkzeugen. (Bild: Horn/Sauermann)

Konventionelles Wirbeln

„Das Problem beim dem konventionellen Wirbelverfahren ist, dass das Wirbeln und das Vordrehen des Durchmessers immer in einzelnen Schritten geschehen muss. Die Schneiden des Wirbelmessers sind nicht dafür ausgelegt, die teils doch größeren Außendurchmesser des Rohmaterials zu zerspanen“, sagt der Prozessentwickler von HG Medical, Sebastian Schmid.

Dies hat zur Folge dass das Wirbelmesser, je nach Länge der Knochenschraube, mehrfach in den Gewindegängen neu angesetzt werden muss. Hierbei entstehen sogenannte Anfahrmarken auf der Oberfläche. Diese sind zwar biologisch unbedenklich, könnten aber bei zu hoher Beanspruchung als Sollbruchstelle der Schraube führen. Des Weiteren ist eine makellose Oberfläche ein Qualitätsmerkmal eines jeden Implantates.

Kontinuierlicher Schnitt

Ein wesentlicher Schritt in der Weiterentwicklung des Wirbelprozesses ist das Highspeed-Wirbeln. In der Zusammenarbeit zwischen dem Maschinenhersteller Index/Traub, Horn und einer Hochschule entstand aus einer Idee dieses weitergedachte Verfahren. Bei dem Verfahren ist die Drehzahl so hoch, dass parallel zum Wirbeln ein Drehprozess erfolgen kann. Das vor dem Wirbelwerkzeug angestellte Drehwerkzeug reduziert das Materialvolumen, welches sonst von dem Wirbelwerkzeug abgetragen werden müsste.

Zwei Wirbelköpfe am Werkzeugrevolver.
Für das Wirbeln von zwei unterschiedlichen Gewinden an einer Knochenschraube sind zwei Wirbelköpfe am Werkzeugrevolver gerüstet. (Bild: Horn/Sauermann)

Die eingesetzten Wirbelköpfe gleichen konventionellen Wirbelköpfen. Nur die Schneideinsätze unterscheiden sich in der Geometrie. Die Herstellung von ein- und mehrgängigen Gewinden ist mit nur einem Schneidsatz möglich.

Der Vorteil gegenüber dem konventionellen Wirbeln liegt zum Einen in einem Zeitvorteil von bis zu 30 Prozent und zum Anderen in der höheren erreichbaren Qualität des Werkstücks. „Der Zeitvorteil hängt immer am jeweiligen Anwendungsfall und Geometrie der Schraube ab. Wir sehen einen großen Vorteil durch den Entfall der Anfahrmarken, da sich beim Highspeed Wirbeln die Schneiden in einem kontinuirlichen Schnitt befinden“, erklärt Schmid.

Theoretisch ergibt sich beim Highspeed-Wirbeln auch ein Vorteil von erhöhten Standzeiten der eingesetzten Schneiden. Dieser ergibt sich durch das geringere zu zerspanende Materialvolumen, welches durch die vorangegangene Drehbearbeitung abgetragen ist. „Diesen Vorteil hätte ich beispielsweise beim Wirbeln von kurzspanenden Werkstoffen. Wir verarbeiten jedoch zu nahezu 100 Prozent langspanende Titanlegierungen.

Eingesetzte Maschine zum Highspeed-Wirbeln

Das Maschinenkonzept des Langdrehautomaten Traub TNL20 wurde konsequent auf die täglichen Anforderungen der Anwender abgestimmt. So ermöglicht die Kinematik des Langdrehers eine effektive und zeitgleiche Bearbeitung mit zwei, drei oder vier Werkzeugen. Der großzügige und senkrecht gestaltete Arbeitsraum sorgt dabei für die nötigen Freiheitsgrade sowie für eine sehr hohe Prozesssicherheit. Den entscheidenden Produktivitätsvorteil erzielt der Langdrehautomat mit der hohen Dynamik. Das neu entwickelte Maschinenbett aus Grauguß bildet dabei die Basis für schwingungsdämpfende Eigenschaften. Die hohe Steifigkeit und thermische Stabilität gewährleisten darüber hinaus beim Langdrehen und Kurzdrehen eine optimale Werkstückqualität.

Der Wirbelkopf dient beim Highspeed-Wirbeln von Titan zwangsläufig als Häcksler der langen Späne von der parallelen Drehbearbeitung“ erklärt Schmid. Dies macht den Vorteil der längeren Standzeit in diesem Fall wieder wett. Im Durchschnitt liegt die zu erreichende Standzeit auf einem ähnlichen Niveau wie beim konventionellen Wirbeln. „Wir drehen beziehungsweise wechseln die Schneideinsätze der Wirbelmesser in einem bestimmten Turnus. Die Qualität der Knochenschrauben steht immer über der maximal zu erreichenden Standzeit“, sagt Schmid.

Stefan Benz (links) und Sebastian Schmid.
Stefan Benz (links) im Gespräch mit Sebastian Schmid. (Bild: Horn/Sauermann)

Hohe Fertigungspräzision

Knochenschrauben unterliegen strengen Kriterien an die Fertigungsqualität. „Die Fertigungstoleranzen, gerade beim Kerndurchmesser des Gewindes, sind je nach Schraube sehr eng“, sagt Schmid.

Des Weiteren ist bei der Produktion eine absolute Gratfreiheit zu garantieren. Jeder noch so kleine Grataufwurf stellt eine potenzielle Gefahr für spätere Keimstellen dar. „Um diese Qualitäten und Vorgaben zu erreichen, müssen die Wirbelwerkzeuge mit den eingesetzten Schneidplatten sehr präzise gefertigt sein. Ein großer Fokus liegt hierbei auf der Plan- und Rundlaufgenauigkeit. Gerade beim Übergang von zwei verschiedenen Gewinden oder beim erneuten Ansetzen ist diese Genauigkeit entscheidend“, erklärt der Horn-Außendienstmitarbeiter Stefan Benz. Horn schleift die Schneiden mit Längentoleranzen von unter 0,002 Millimeter. Darüber hinaus sind die Plattensitze des Wirbelkopfes ebenfalls hochpräzise gefertigt.

Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist das Profil der geschliffenen Schneide. Definierte Innenradien von r = 0,025 Millimeter, mit Toleranzen von ± 0,005 Millimeter sind beim Präzisionsschliff der Wendeschneidplatten keine Seltenheit. Für die Schneideinsätze kommt in den Horn-Wirbelwerkzeugen hauptsächlich die dreischneidige Wendeschneidplatte des Typs S302 oder die zweischneidige Platte des Typs S274 zum Einsatz. Alle Wirbelwerkzeuge sind Sonderausführungen nach Kundenwunsch.

Stechdrehen mit Werkzeugsysteme von Horn.
Zum Stechdrehen setzt HG Medical ebenfalls auf Werkzeugsysteme von Horn. (Bild: Horn/Sauermann)

Seit rund zehn Jahren verrichten die Horn-Werkzeugsysteme nun ihren zuverlässigen Dienst in den Hallen von HG Medical. Neben den Werkzeugen zum Gewindewirbeln setzt das Unternehmen auch auf Systeme zum Stechdrehen und Innenausdrehen von Horn.

„Wir haben bei neuen Wirbelprojekten teils sehr knifflige Aufgabenstellungen. Hierzu besteht mittlerweile ein direkter Draht in die Konstruktion von Horn, um die Aufgabenstellung gemeinsam zu besprechen und eine Werkzeuglösung zu entwickeln“, erzählt Schmid und fährt fort: „So wie wir selbst sind, erwarten wir von unseren Lieferanten und Partnern höchste Flexibilität und Schnelligkeit. Mit Horn haben wir einen Werkzeugpartner an der Seite, der diesen Service bietet und immer für uns erreichbar ist.“

Quelle: Paul Horn GmbH

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