Seit 2019 setzt der Luft- und Raumfahrtspezialist Collins Aerospace aus Figeac in Frankreich auf das Power-Skiving-Verfahren. Zusammen mit seinem Werkzeugpartner Horn hat das Unternehmen das Wälzschälverfahren für diverse Teiletypen in der Serienfertigung umgesetzt.
Pascal Moulènes, Verfahrensentwickler und Spezialist für Verzahnungsthemen bei Collins Aerospace, bringt die Einführung des Wälzschälverfahrens auf den Punkt: „Verkaufen können viele, aber nur wenige können Fertigungsstrategien entwickeln und ihre Umsetzung aktiv unterstützen. Im Jahr 2015 konnten wir bei einem Werkzeugmaschinenhersteller dieses Verfahren bei der Massenproduktion von Werkzeugmaschinenkomponenten im Einsatz sehen.“
Die hat das Interesse der Verantwortlichen in Bezug auf die eigenen Anwendungsmöglichkeiten bei Collins geweckt und die Auswahlentscheidungen neuer Bearbeitungsverfahren beeinflusst. Nach Investitionen in moderne Bearbeitungszentren, welche die Technologie beherrschen, suchten die Verantwortlichen um Moulènes nach einem Lieferanten für Wälzschälwerkzeuge. „Auf der EMO 2017 in Hannover haben wir den Prozess auf dem Stand von Horn in Aktion gesehen, und da wir uns auf der Suche nach einem Lieferanten für Hartmetall-Wälzschälwerkzeuge befanden, waren wir sehr interessiert“, erzählt Moulènes.
Die technische Unterstützung für die Umsetzung des Projektes bekamen sie von Emmanuel Gervais. Der Techniker ist bei Horn der erste Ansprechpartner, wenn es um die Zerspanung von sensiblen Aerospace-Bauteilen geht. Seine Expertise und seine Erfahrungen fließen auch in die Entwicklung neuer Werkzeugkonzepte ein. Kein Wunder, dass Gervais auch im Epizentrum der europäischen Aerospace-Industrie, dem südwestlichen Frankreich um Toulouse, beheimatet ist.
Vor der Einführung des Wälzschälverfahrens wurden die Bauteile mit konventionellen Schneidwerkzeugen hergestellt. „Wir waren gerade dabei, die Fertigung unserer Teilefamilien im Bereich Verzahnung neu zu organisieren“, erklärt Moulènes. Mit der neuen Technologie konnte Moulènes aufgrund der geringeren Anzahl von Rüstvorgängen die Fertigungsprozesse optimieren und die Liegezeit zwischen den Arbeitsgängen einsparen. Neben den verkürzten Taktzeiten erhöhte sich darüber hinaus auch die Bauteilqualität.
So lief die Einführung des Power-Skiving-Verfahrens bei Collins Aerospace
„Das Wälzschälverfahren war neu für Collins und wir mussten es erst im Detail kennenlernen. Aufgrund unseres Auftragsvolumens konnten wir aber keine langen Testläufe durchführen“, erklärt Moulènes. Gervais schlug daher vor, die Tests im Horn-Testzentrum in Tübingen durchzuführen. „Die optimalen Bearbeitungsparameter für den eher schwer zu bearbeitenden Werkstoff 16NCD13 (1.6657) wurden nach mehreren Testreihen in Tübingen entwickelt. Die Ergebnisse waren für alle Testreihen reproduzierbar, bei gleichbleibend hoher Qualität“, erklärt er.
Auf einen Blick: Das Power-Skiving-Verfahren
Vor über einem Jahrhundert meldete Wilhelm von Pittler ein Patent für das Wälzschälen von Verzahnungen, das sogenannte Power-Skiving-Verfahren, an. Im Jahr 1910 war dies eine revolutionäre Idee. Eine breitere Anwendung in der modernen Fertigung findet das Verfahren jedoch erst, seit Bearbeitungszentren mit Systemen zur Steuerung und Synchronisierung der Spindeldrehzahlen und Software zur Prozessoptimierung ausgestattet sind. Diese Systeme ermöglichen den Einsatz dieser äußerst komplexen Technologie.
Die Versuchsteile sendete Horn zurück ins Collins-Werk zum Qualitätscheck. Der maximal zulässige Profilfehler der Verzahnung liegt bei einer Abweichung von 0,03 Millimeter. Die Testreihe von Horn lag im Mittel bei einer Abweichung von 0,015 Millimeter. „Horn war in der Lage, die Wälzschälwerkzeuge mit einem Rundlaufkorrektursystem zu liefern. Natürlich war die entsprechende Qualität der Teile unser primäres Ziel, aber eine hohe Standzeit der Werkzeuge war uns ebenfalls wichtig“, ergänzt Joel Bousquet, Maschinenbediener bei Collins.
Die Einführung des Wälzschälverfahrens bei Collins verlief reibungslos: „Die ersten Tests waren sofort erfolgreich. Wir konnten die in Tübingen für das Verfahren ermittelten Schnittdaten praktisch unverändert übernehmen“, erklärt Gervais.
Was das Power Skiving in der Fertigung von Collins Aerospace verändert hat
Die Bearbeitungszeit am Verzahnungsteil allein konnte um mehr als die Hälfte der ursprünglichen Zeit reduziert werden. Der Wälzschälprozess zur Herstellung der Verzahnung ist in 14 Schrupp-, zwei Vorschlicht- und zwei weitere Schlichtgänge mit einem Schleifaufmaß von 0,1 Millimeter unterteilt. Die Härteverzug für die nachfolgende Wärmebehandlung ist nicht im Schneidenprofil des Werkzeugs vorgehalten. Nach dem Härten muss das Bauteil dann noch geschliffen werden.
„Heute stellen wir mit demselben Werkzeug fünf verschiedene Bauteile mit dem gleichen Modul her. Insgesamt haben wir bereits mehr als 300 Teile produziert. Das Ende der Standzeit des Werkzeugs ist noch nicht in Sicht“, sagt Moulènes.
Das Horn-Werkzeugprogramm umfasst Wälzschälwerkzeuge zum produktiven Herstellen von Innenverzahnungen, Steckverzahnungen und anderen Innenprofilen sowie von Außenverzahnungen mit Störkanten. Die wichtigsten Vorteile des Wälzschälens bei diesen Anwendungen sind die deutlich kürzeren Prozesszeiten im Vergleich zum Verzahnungsstoßen, der Einsatz auf optimierten Dreh-Fräszentren, das Drehen und Verzahnen in einer Aufspannung und der Verzicht auf Freistiche am Verzahnungsende.
Das sind die zugehörigen Werkzeuge von Horn
Die Wälzschälwerkzeuge sind zum Verzahnen mittlerer bis großer Lose konzipiert. Dabei wird jedes Werkzeug individuell dem Einsatz und dem zu bearbeitenden Werkstoff angepasst, wobei sich die unterschiedlichen Werkzeugschnittstellen an der Zähnezahl und Modulgröße orientieren.
Das Verzahnungsportfolio von Horn umfasst ein breites Werkzeugprogramm zur Herstellung von unterschiedlichen Verzahnungsgeometrien mit Modul 0,25 bis Modul 30. Ob Verzahnungen an Stirnrädern, Welle-Nabe-Verbindungen, Schneckenwellen, Kegelrädern, Ritzeln oder an kundenspezifischen Profilen, alle diese Zahnprofile lassen sich mit den Werkzeuglösungen von Horn wirtschaftlich herstellen. Die Wälzschältechnologie wird erst eingesetzt, seit Bearbeitungszentren mit Systemen zur Steuerung und Synchronisierung der Spindeldrehzahl und mit Software zur Prozessoptimierung den Einsatz dieser komplexen Technologie ermöglichen.
Mit mehr als 70.000 Mitarbeitern an 300 Standorten weltweit ist Collins Aerospace einer der größten Zulieferer für die Luft- und Raumfahrtindustrie. Zu seinen Kunden gehören alle großen internationalen Konzerne der Branche. Das Collins Werk in Figeac ist einer der weltweit führenden Hersteller von Propellersystemen für zivile und militärische Flugzeuge, Cockpit- und Kabinenausrüstung sowie von Stellantrieben für Höhenleitwerke. Auch die Herstellung der Propeller für den Airbus A400M erfolgt im Werk in Südfrankreich.
Collins Aerospace und Horn sind seit 30 Jahren Partner. „Wir haben mit den Systemen Mini und Supermini für die Bearbeitung von Inconel begonnen“, erinnert sich Pascal Janot, der für die Werkzeugbeschaffung verantwortlich ist. Heute setzen die Verantwortlichen bei Collins neben den Systemen Mini und Supermini auch Horn-Lösungen für das Fräsen ein. „Unser Unternehmen verwendet Horn für einen Großteil der Teile, an denen wir Nuten herstellen müssen. Horn bietet nicht nur sehr gute Werkzeuge. Dank seiner hohen Service- und Dienstleistungsqualität ist das Unternehmen einer unserer bevorzugten Partner“, sagt Moulènes.
Quelle: Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn GmbH