Was dieses Unternehmen mit seinen vordergründig wenig spektakulär anmutenden Produkten antreibt, ist der Wille zu kompromissloser Qualität. Wo andere Massenteile am Markt möglichst billig zukaufen, fertigt Blum nach Möglichkeit selbst, bis hin zu den Kunststoffrollen, auf denen die Schubladen beim Öffnen und Schließen laufen.
„Wir wollen unseren Kunden bei allen von uns hergestellten Komponenten perfekte Bewegungsqualität bieten, und das ein ganzes Möbelleben lang“, erläutert Gerhard Gorbach, Leiter
Betriebsmittelbau des Werks 3 am Blum-Stammsitz in Höchst. So achten die Mitarbeiter mit Akribie auf jedes Detail, welches den Gesamteindruck des Produkts beim Kunden bestimmen könnte. Dazu gehört eine Fertigungstiefe, die nach unten fast bis zur DIN-Schraube und der Unterlegscheibe hinabreicht, auf der anderen Seite aber auch selbst entwickelte Sondermaschinen und Systeme für die Qualitätskontrolle umfasst. Entsprechend groß ist der eigene Vorrichtungs- und Werkzeugbau mit mehreren hundert Mitarbeitern.
„Qualität ist jedoch nur die eine Seite des Erfolgs. Die andere ist Kosteneffizienz“, ergänzt Ralf Hildebrand, Abteilungsmeister der Schleiferei. Wer auf Lohndumping im Ausland verzichtet und stattdessen auf einheimische Mitarbeiter setzt, müsse diesen auch die Möglichkeit bieten, ihre Stärken voll auszuspielen. Die straffe Durchorganisation gilt für jegliche produktiven Abläufe im Unternehmen. Hier bewegt sich nichts, wenn es nicht von der Arbeitsvorbereitung ausgehend mit der zentralen Fertigungsorganisation verknüpft wurde. Das umfasst sämtliche Vorgaben,
Materialien, Maschinen- und Personaleinsatzpläne. Ebenso eingebunden ist alles, was im Bereich Messtechnik und Qualitätskontrolle und bis hin zur Verpackung sonst noch benötigt wird. Auch die dazugehörigen Anweisungen und Vorschriften sind zentral im Computer verfügbar, und alle Ergebnisse müssen diesem wiederum zur Kenntnis gebracht werden. Lohn der Mühe sind reibungsarme betriebliche Abläufe und eine optimierte Nutzung der vorhandenen Ressourcen. Das senkt die Kosten und minimiert den Ausschuss. Und Mitarbeiter, denen man die Möglichkeit gibt, sich zu beweisen und gute Ergebnisse abzuliefern, sind zugleich auch zufriedener.
„Auch unser Werkzeug- und Maschinenbau arbeitet nach den gleichen Prinzipien wie die Fertigung. Allerdings sind die Anforderungen an die
Flexibilität noch höher“, weiß Helmut Böhler, Abteilungsmeister der Fräserei. Die Teilefertigung ist vom Grundsatz her auf Losgrößen vom Einzelstück an aufwärts ausgelegt. Um für die teuren Anlagen dennoch Auslastungszeiten von jährlich 5000 bis 6000 Fertigungsstunden erreichen zu können, war eine höchstmögliche Automatisierung der Abläufe und Flexibilität der Ausrüstung für unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten erforderlich.
Verkürzung der Durchlaufzeiten
So sollten sequentiell ablaufende Prozesse wie etwa das HSC-Fräsen und das Koordinatenschleifen verschmolzen, nach Möglichkeit auf den gleichen Anlagen durchgeführt werden. Vorteile sind ein Gewinn an Genauigkeit sowie eine Verkürzung der Durchlaufzeiten, da nicht mehr gewechselt, gemessen oder gar umgespannt werden muss. Kubische Teile sollen nach Möglichkeit bereits fixfertig geprüft abgespannt werden können.
„Beim Thema Produktqualität gehen wir keinerlei Kompromisse ein. Entsprechend hoch sind unsere internen Anforderungen an die im eigenen Unternehmen hergestellten Betriebsmittel“, erläutert
Böhler. Blum setzt seit mehreren Jahren auf fünfachsige HSC-Bearbeitungszentren von Röders, die bereits von Beginn an automatisiert waren. Eingesetzt wurden die Maschinen zunächst für die Herstellung von hochgenauen Elektroden in Kupfer oder Graphit. Bei späteren Maschinenbeschaffungen lag neben der Elektrodenherstellung auch das Hartfräsen im Fokus. Für eine optimale Maschinenausnutzung und Wirtschaftlichkeit wurden von Röders neben den Maschinen auch Automationslösungen beschafft. So bestücken Fanuc-Roboter die Fräsmaschinen mit palettisierten
Werkstücken sowie mit Fräswerkzeugen und sorgen für eine Verkettung mit Wasch- und Messstationen.
Für die Erweiterung der Fertigungskapazität um die Kombination von Hartfräsen und Koordinatenschleifen wurde Röders aufgrund der langjährigen positiven Erfahrung mit seinen Maschinen sowie auch seinem Service erneut angefragt. Bei umfassenden Tests zeigten sich die Maschinen von der Produktivität wie auch von der Genauigkeit her sowohl für das HSC-Hartfräsen als auch für das Koordinatenschleifen gleichermaßen als geeignet.
Als prozesssicher zu erreichende Toleranzen wurden dabei Bohrungsdurchmesser mit ± 2 µm gefordert. Wichtig war für Blum zudem, dass neben dem Fräsen auch die Schleifbearbeitung mannarm erfolgen kann, was aufgrund der Wechselbarkeit der Schleifwerkzeuge, deren automatischer Vermessung sowie auch der Einmessung mithilfe eines hochgenauen Messtasters voll erfüllt werden konnte. Daneben ermöglicht der Taster auch die Ermittlung von prozessbedingten Abweichungen, die dann einfach durch die Steuerung kompensiert werden können.
Direkte Programmierung
Da bei Blum nicht nur komplexe Bauteile, deren Programmierung in der Arbeitsvorbereitung erfolgt, sondern auch einfache Bauteile hergestellt werden, die nach wie vor nach Zeichnung an der Maschinen programmiert werden, war bei der Maschinenbeschaffung auch die Möglichkeit der direkten Programmierung an der Maschine durch die Bediener ein wichtiges Kriterium. Hier konnte die auf Zyklen basierte Programmierung an der Röders-Steuerung RMS6 voll überzeugen.
„Wichtiger Punkt bei unserer Entscheidung war auch die Partnerschaft mit dem Anlagenhersteller. Blum und Röders haben bereits mehrere gemeinsame Projekte umgesetzt, und eben auch die Weiterentwicklung der schleifspezifischen
Software“, ergänzt Gorbach. Entscheidender Vorteil ist, dass Röders für die Anlagensteuerung auf eine eigene PC-basierte Steuerung setzt und daher über alle Ressourcen für die Weiterentwicklung des Systems einschließlich der Zyklen zum Koordinatenschleifen verfügt.
Gemeinsam mit Röders wurde in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit die Steuerung der Anlagen mit Blick auf eine Verbesserung der Routinen für das Schleifen weiterentwickelt. Im Vordergrund stand dabei die Optimierung der Werkstatt- und Prozessorientierung. Wichtig war insbesondere die Berücksichtigung der verschiedenen Varianten des Koordinatenschleifens wie Helical- oder Schnellhubschleifen. Dabei gingen die Impulse häufig von der Anwenderebene bei Blum aus, die aufgrund ihrer Erfahrungen Verbesserungsvorschläge einbrachte. Diese wurden von den Anwendungs- und Softwarespezialisten bei Röders in entsprechende Erweiterungen der Steuerung oder der Zyklen umgesetzt. Aufgrund der einfachen und kostengünstigen Update-Fähigkeit laufen alle Maschinen mit derselben Steuerungsversion, wodurch sie mit dem gleichen Postprozessorstand bedient werden können.
Schleifer sind Spezialisten
„Eine wichtige Rolle spielt auch der Faktor Mensch. Schleifer sind Spezialisten für höchste Genauigkeit, die nicht leicht von anderen Technologien zu überzeugen sind“, sagt Böhler. Diese Leute mussten zunächst „abgeholt“ werden, indem man ihnen die Vorteile der neuen Anlagentechnologie nahebrachte. Zu diesen Vorteilen gehörte auch die Fähigkeit der Röders-Steuerung, die genaue Position lediglich grob im Bauraum orientierter Werkstücke mithilfe des Messtasters zu erkennen und dann das gesamte NC-Programm unter Berücksichtigung der geänderten Lage von Ursprung und Orientierung des Werkstücks auf die neuen Gegebenheiten umzurechnen.
Zudem konnten sich die Mitarbeiter selbst davon überzeugen, dass die mit den Röders-Bearbeitungszentren schon beim Fräsen erreichten Genauigkeiten und Oberflächenqualitäten so gut waren, dass in bestimmten Fällen Prozessschritte von Schleif- auf Fräsbearbeitung umgestellt werden konnten und Durchlaufzeiten verbesserte sowie Kosten senkte. Heute, sagt Böhler, arbeiten Schleifer und Fräser gemeinsam an den Anlagen, wobei sie sich gegenseitig ihr Know-how weitergeben.
Kontakt:
- Julius Blum GmbH, www.blum.com
- Röders GmbH, www.roeders.de
GrindTec Halle 4, Stand 4003