Ein 5-Achs-Bearbeitungszentrum, links daneben ein portabler CAM-Programmierplatz mit der Software Hypermill von Open Mind.

Der Bereich ‚Additive und CNC-Fertigung‘ der Versuchsteile­fertigung bei Stihl verfügt über ein hochmodernes Equipment – rechts im Bild ein 5-Achs-Bearbeitungszentrum, links daneben ein portabler CAM-Programmierplatz mit der Software Hypermill von Open Mind. (Bild: Open Mind)

Motorsäge – Stihl. Kein Waldarbeiter, der diese Geräte im charakteristischen orangen Farbton nicht kennt. Schon seit 1971 ist das Waiblinger Familienunternehmen weltweiter Marktführer für Motorsägen, hat aber noch vieles mehr zu bieten: zahlreiche Geräte zum Sägen und Schneiden, Mähen und Pflanzen, Reinigen und Aufräumen.

Der Antrieb fürs Unternehmen sei – so ist es auf der Homepage nachzulesen – „den Menschen die Arbeit mit und in der Natur zu erleichtern“. Es werde eine starke Innovationskultur gepflegt, um mit neuen Technologien Mehrwert für die Kunden zu schaffen. Dementsprechend wichtig ist das Kompetenz- und Entwicklungszentrum am Stammsitz Waiblingen, wo über 700 Entwickler disziplinübergreifend zusammenarbeiten.

Prototypenfertigung muss schnell und flexibel sein

Hier ist auch der Versuchsteileservice im Bereich Systemabsicherung verortet, der den Entwicklern und Konstrukteuren zuarbeitet. In der Gruppe ‚Additive und CNC-Fertigung‘ entstehen Prototypen, Kleinserien und Erstmuster. Gruppenleiter Boris Matuschka beschreibt das Aufgabenfeld: „Wir fertigen die von der Konstruktion und Entwicklung virtuell geschaffenen Bauteile und Komponenten aus Aluminium, Magnesium, Stahl, Messing und Kunststoff. Sie dienen zur Erprobung unserer Neuprodukte. Für unser Team heißt das, wir müssen sehr flexibel und reaktionsschnell sein, um die Zeit bis zum Markteintritt möglichst kurz zu halten.“

Bauteil aus dem 3D-Drucker.
Ein typisches Bauteil aus dem 3D-Drucker. (Bild: Open Mind)

Modernstes Equipment

Nach Möglichkeit werden die Bauteile zerspanend gefertigt. Für das Fräsen steht modernstes Equipment zur Verfügung, darunter zwei 5-Achs-Simultan-Bearbeitungszentren und drei 3+2-Achs-Fräsmaschinen. „Für Bauteile, die sich frästechnisch nur schwer herstellen lassen, setzen wir unter anderem eine Strahlschmelzanlage zur additiven Fertigung ein, die verschiedene Metallpulver verarbeiten kann“, erklärt Matuschka. „Diese additiv erzeugten Teile müssen in der Regel zerspanend nachbearbeitet werden, um geforderte Funktionsmaße und Oberflächengüten sicherzustellen.“

Die 5-Achs-Bearbeitung für Kleinserien und den Prototypenbau stellt eine ideale Technologie dar, da sie meist in nur einer Aufspannung zu einem fertigen Bauteil führen kann. Grundvoraussetzung dafür ist ein praktikables, prozesssicheres NC-Programm. „Dies war bei uns in der Vergangenheit ein Flaschenhals“, sagt Gruppenleiter Matuschka. „Die Programmierung mit dem früheren System erforderte mehr Zeit, was den zusätzlichen Einsatz von externen Dienstleistern bei Überkapazität erforderte.“

Neues Cam oder outsourcen?

Als Lösung bot sich für Stihl an: „Entweder wir geben Überkapazitäten weiter an externe Dienstleister oder sorgen mit einem neuen CAM-System für höhere Effizienz und somit einen höheren Teiledurchsatz in unserer Fertigung.“ Man entschied sich für ein neues System und das zuständige Team ging auf die Suche nach der optimalen CAD/CAM-Lösung. Vier Systeme schafften es in die Vorauswahl, zwei davon in die ausgiebige Testphase. „Wir vereinbarten mit den Anbietern eine Teststellung, in der wir die beiden Systeme unter Realbedingungen kennenlernen und mit unseren Teilen erproben konnten“, schildert Matuschka. „In dieser Zeit sammelten wir außerdem erste Erfahrungen mit dem Service der jeweiligen Anbieter.“

Boris Matuschka (rechts) und Benjamin Gruber.
Boris Matuschka (rechts) und Benjamin Gruber sind sich einig: „Mit unserem neuen CAM-System Hypermill haben wir eine deutlich höhere Maschinenauslastung erreicht.“ (Bild: Open Mind)

Der Wunschpartner

Hier konnte der spätere Wunschpartner, die Open Mind Technologies, Wessling, bereits Pluspunkte sammeln, wie Benjamin Gruber, Techniker und Programmierer, anhand eines Beispiels erklärt: „Das CAM-System Hypermill bietet für die 5-Achs-Bearbeitung eine äußerst innovative Funktion ‚Automatisches Indexieren‘. Damit lassen sich Bereiche, für deren Bearbeitung mehrere Werkzeuganstellungen notwendig sind, in einer Operation programmieren und fräsen. Diese Funktion wollten wir auch gerne für unsere für 3+2-Achs-Maschinen nutzen. Open Mind zeigte sich offen für unseren Wunsch und entwickelte eine entsprechende Lösung.“

Die endgültige Entscheidung für Hypermill fiel aufgrund der Erfahrungen aus der Testphase und einem Benchmark mit einem anspruchsvollen Referenzteil. Hierfür bat Stihl die beiden CAM-Anbieter, einen auf die jeweilige Software spezialisierten Programmierer zu stellen, der die CAM-Programmierung übernimmt. „Wir wollten unabhängig von unseren bisher erworbenen Erkenntnissen einen neutralen Vergleich, was sich maximal aus den beiden CAM-Programmen herausholen lässt“, erklärt Gruber.

Vorteile Hypermill Best Fit

  • sichere Bearbeitung
  • keine aufwendigen Aufspannungen/Messmittel mehr notwendig
  • planbare Rüstzeiten und Prozesse
  • kürzere Durchlaufzeiten
  • reduzierter Aufspannaufwand von Bauteilen
  • verminderter Konstruktionsaufwand → keine Hilfsgeometrien nötig
  • Anpassung an Steuerung nicht mehr notwendig
  • einfacher Maschinenwechsel möglich

Zeitaufwand reduziert

Für Open Mind übernahm Steffen Völker, technischer Key Account Manager und Anwendungsspezialist für den Formen- und Prototypenbau, diese Aufgabe. Es galt ein Kurbelgehäusebauteil zu fräsen, das viele Bereiche enthält, die angestellt oder simultan gefräst werden müssen. Eine weitere Schwierigkeit waren enge Verrippungen, die mit kleinen Werkzeugen bearbeitet werden müssen. Mit Hypermill reduzierte Völker den Zeitaufwand für die Programmierung und die Bearbeitungszeit der Maschine, sodass sich Stihl schließlich für Hypermill entschied.

Gruber lobt die einfache Bedienung des Systems. Nach zwei Wochen Grundschulung war er mit der Software bereits soweit vertraut, dass die Programmierung von 5-Achs-Teilen kein Problem mehr darstellte: „Hypermill stellt eine große Auswahl an 5-Achs-Funk­tionen bereit, die weitgehend automatisiert programmierbar sind. Das geht schnell und ist eine große Stärke dieses CAM-Systems.“

Komplettangebot als Vorteil

Als weiteren entscheidenden Vorteil nennt er das Open Mind-Komplettangebot. Denn bisher waren in der Stihl-Versuchsteilefertigung verschiedene Softwarelösungen nötig, um den Anforderungen der modernen Zerspanung gerecht zu werden. „Früher hatten wir um das Programmiersystem herum eine ganze Systemlandschaft aufgebaut, mit einem extra Simulationssystem, einer Werkzeugdatenbank“, schildert der Techniker. „Wir mussten mehrere Systeme bedienen, um ans Ziel zu gelangen. Hypermill bietet nun alles in einem.“

Maximale Prozesssicherheit.
Hypermill Best Fit garantiert maximale Prozesssicherheit. (Bild: Open Mind)

Innerhalb der CAD/CAM-Software Hypermill ist es vor allem das Modul Virtual Machining, das den Unterschied zu anderen Systemen darstellt. Es ist gewissermaßen der Grundstein für die NC-Code-Generierung und die NC-Code-Simulation sowie für verschiedene Funktionen. Open-Mind-Anwendungsspezialist Völker erklärt: „Da wir unsere Software selbst entwickeln, konnten wir auf eine gute und durchgängige Lösung achten. Diese schließt auch eine präzise NC-Code-Simulation ein, der alle prozessrelevanten Daten aus Hypermill zur Verfügung stehen und die für maximale Prozesssicherheit sorgt.“

Völker weist auf die Funktion Best Fit hin, die als Add-on für Hypermill Virtual Machining erhältlich ist: „Besonders das einfache Ausrichten additiv gefertigter Bauteile ist für Stihl von großer Bedeutung. Mit Hypermill Best Fit bieten wir eine innovative Funktion, durch die das aufwendige und damit zeitintensive Bauteilausrichten auf der Maschine erheblich reduziert wird.“

Manuell ausrichten ist aufwendig

Gruber schildert, wie es früher war: „Wir haben das Bauteil und die Aufspannung in der Maschine an die Gegebenheiten des NC-Programms angepasst. Das heißt, wir haben das Bauteil manuell mit der Messuhr ausgerichtet. Dieser Prozess musste so lange wiederholt werden, bis die Ausrichtung möglichst genau erfasst werden konnte.“

Nach der Adaption der Werkzeugbahnen durch Hypermill Best Fit kann eine optimale Bauteilposition erreicht werden.
Nach der Adaption der Werkzeugbahnen durch Hypermill Best Fit kann eine optimale Bauteilposition erreicht werden. Im Anschluss an eine Verifikationsmessung kann die Bearbeitung gestartet werden. (Bild: Open Mind)

Mit Hypermill Best Fit findet eine Echtzeitausrichtung direkt im CAM statt. „Wir führen eine 3D-Messung vom unausgerichteten Bauteil auf der Maschine durch und spielen die Messpunkte zurück ins CAM-System“, erklärt Gruber. „Alles Weitere übernimmt die Software.“ Sie passt den NC-Code an die gemessene Bauteilposition an und verschiebt virtuell die Werkzeugbahnen zum Bauteil. Der angepasste NC-Code wird in der virtuellen Maschine simuliert und automatisch optimiert.

Um eine sichere und exakte Bearbeitung zu gewährleisten, wird der Maschineneinrichter nochmals tätig: Er führt eine Verifikationsmessung durch, die im CAM-System kontrolliert, ob die Ausrichtung innerhalb der vordefinierten Toleranz liegt. Danach kann die Bearbeitung gestartet werden.

Fräs- und Programmier-Spezialist Gruber bestätigt: „Für uns bedeutet das einen enormen Zeitgewinn. Zusätzlich können wir uns durch die Verifikationsmessung sicher sein, dass die Bearbeitung kollisionsfrei läuft und wir am Ende das gewünschte Fräsergebnis erhalten.“

Dreidimensionale Messung des unausgerichteten Bauteils.
Hypermill Best Fit bietet sich insbesondere für die Nachbearbeitung 3D-gedruckter Bauteile an. Zu Beginn findet eine dreidimensionale Messung des unausgerichteten Bauteils statt. (Bild: Open Mind)

Besonders hilfreich ist Best Fit bei additiv erzeugten Bauteilen. Zur weiteren Verarbeitung werden diese meist nachbearbeitet, was auf der 5-Achs Maschine geschieht. Aufgrund der komplexen Bauteilgeometrien mit vielen Freiformoberflächen gestaltet sich das Antasten in der Maschine daher oft schwierig. Früher wurden spezifische Merkmale konstruktiv eingebracht, an denen angetastet werden konnte. „Wir können das gedruckte Bauteil nun einfach in der Maschine aufspannen, starten den Messvorgang und können die Nachbearbeitung ohne Risiko laufen lassen“, erklärt Gruber.

CAM-Programmierung mit Hypermill und der Best-Fit-Funktion.
In der Prototypenherstellung konnte die CAM-Programmierung mit Hypermill und der Best-Fit-Funktion zu einer höheren Maschinenauslastung beitragen. (Bild: Open Mind)

„Als eine weitere Stärke von Hypermill, die für die Effizienz in der Teilefertigung von großer Bedeutung ist, wird durch die Option dargestellt, 5-Achs-Programme einfach in 3+2- Achsen-Programme umzuwandeln. So können bei Bedarf Programme von 5-Achs- auf 3+2-Achs-Maschinen portiert und damit Maschinenstillstände vermieden werden“, betont Boris Matuschka

Matuschka resümiert: „Die Investition in Hypermill hat sich gelohnt. Die Effizienz in der Programmierung ist gesteigert und wir konnten eine deutlich höhere Maschinenauslastung erreichen. Daher sind wir dabei, den Einsatz dieser Software auch auf andere Maschinen auszudehnen.“

Quelle: Open Mind Technologies AG

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