Der Hydraulikspezialist Hawe setzt am Standort Kaufbeuren in der Metallausbildung ein modernes Lernkonzept mit Weiler-Drehmaschinen um. Unter anderem haben die Auszubildenden alte Vorgängermodelle der Anlagen in einem Schulungszentrum in Botswanas Hauptstadt Gaborone von Grund auf modernisiert. Anschließend haben sie an ihnen die dortigen Fachlehrer geschult.
Über ein nachhaltiges Ausbildungskonzept, das Lernende und Lehrende über mehr als 8.000 Kilometer hinweg verbindet.
Schwierigkeiten, Lehrstellen zu besetzen, kennen die Ausbilder am Standort Kaufbeuren der Hawe Hydraulik nicht. Bis auf vier Plätze waren bereits zum Jahresende 2023 alle 22 angebotenen Stellen für 2024 vergeben, davon fünf an junge Frauen.
Gründe hierfür gibt es viele. Zum guten Ruf tragen unter anderem regelmäßige Auszeichnungen der Prüflinge als Jahrgangsbeste in der Region bei. „Für uns sprechen beispielsweise die modernen Räumlichkeiten und eine Top-Ausstattung, so dass jeder Auszubildende an einer eigenen Maschine arbeiten kann“, schwärmt Metallausbilder Michael Lechle. Zusammen mit seinem Kollegen Julian Lutz und Ausbildungsleiter Thomas Schmid betreut er insgesamt 47 angehende Zerspanungs- und Industriemechaniker sowie Fachkräfte Metalltechnik für Zerspanung und für Montage. Mit rund vierzig Maschinen ist die Lehrwerkstatt gut bestückt, darunter mehrere CNC-Drehmaschinen und Fräsmaschinen.
Beim konventionellen Drehen bevorzugt der Hydraulikspezialist Maschinen des fränkischen Herstellers Weiler. Von ihm stehen den angehenden Nachwuchsfachkräften in den verschiedenen Ausbildungswerkstätten insgesamt 18 Maschinen zur Verfügung. An sechs Exemplaren des Typs „Praktikant GS“ und einer „Commodor AC“ bildet Lechle in Kaufbeuren aus.
Auch nach Jahrzehnten präzise
Beim Thema Genauigkeit schwört der Ausbilder auf die robuste Langlebigkeit der Premiummaschinen aus Nordbayern: „Die älteste Weiler ist 22 Jahre alt und arbeitet genauso präzise wie am ersten Tag. Wir haben mit den Maschinen nur die besten Erfahrungen gemacht.“ Der gelernte Industriemechaniker und Meister Feinwerkmechanik hat selber an einer „Weiler“ gelernt. Nicht zuletzt unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sieht er den langjährigen Einsatz der bewährten Drehmaschinen „made in Germany“ positiv.
Jeder Auszubildende wird individuell betreut, und wer fleißig lernt und bildungshungrig ist, kann sich mit Hilfe des „Azubi-Talentprogramms“ der unternehmenseigenen Akademie zusätzlich weiterbilden.
„Das Drehen und Fräsen lernen die Azubis bei uns von der Pike auf. Dabei kombinieren wir die Theorie mit so viel Praxis wie möglich. Sobald die Auszubildenden dazu in der Lage sind, lassen wir sie die ersten Werkstücke für die Produktion fertigen, wenn möglich, bereits im ersten Lehrjahr“, erklärt Lechle. Dabei handelt es sich überwiegend um Komponenten für den Vorrichtungsbau sowie Ersatzteile für die Instandhaltung.
Projekt „Fachkräfte für Afrika“
Das alles macht eine Ausbildung bei Hawe attraktiv – einzigartig wird sie jedoch durch das Engagement im Projekt „Fachkräfte für Afrika“. Im Rahmen der Initiative des VDMA haben Auszubildende aus Kaufbeuren von 2019 bis 2023 bei der Instandhaltung einer Metallwerkstatt in Botswana mitgewirkt und die örtlichen Lehrer geschult.
„Dieser ungewöhnliche Teil der Lehre kommt bei den Auszubildenden extrem gut an“, freut sich Lechle. Diese Begeisterung ist unternehmensweit zu spüren, stimmt ihm Werksleiter Franz Pasta zu, unter dessen Regie das Engagement startete: „Die ganze Mannschaft findet die Mitwirkung bei ‚Fachkräfte für Afrika‘ sehr gut und sinnvoll. Und auch bei den Partnern in Afrika wird das Projekt hervorragend angenommen.“
Bereits 2019 waren verschiedene Mitarbeiter in die Hauptstadt Gabarone gereist, um im Schulungszentrum des Construction Industry Trust Fund (CITF) eine Bestandsaufnahme der mechanischen Werkstatt zu machen. Die Einrichtung wird vom Botswanischen Staat getragen und bildet Fachkräfte im konventionellen Drehen, Fräsen und Bohren aus.
Das Hawe-Team stieß dort auf zahlreiche reparaturbedürftige Dreh-, Fräs- und Bohrmaschinen älterer Bauart, die nicht mehr einsatzfähig waren. Unter den Drehmaschinen befanden sich neben Modellen anderer Hersteller drei Weiler Praktikant 160 B. Letztere wurden bis in die 1990er Jahre gebaut. „Die Maschinen waren deutlich älter und eher aus den 80er Jahren, die Werkstatt etwa auf dem technologischen Niveau vierzig bis fünfzig Jahre vor dem Stand unserer Lehrwerkstatt“, schätzt der Ausbilder.
Kleinere Reparaturen führte das Hawe-Team gleich vor Ort aus, für größere Arbeiten fertigte es Skizzen an, um später in Kaufbeuren die Ersatzteile zu beschaffen und sie bei einem zweiten Besuch mitzubringen.
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Ersatzteile für 30 Jahre alte Drehmaschinen
Zurück in der Heimat machten sich die Auszubildenden daran, für Ersatz der defekten oder fehlenden Komponenten zu sorgen. Bei den Weiler-Drehmaschinen war das kein Problem. Rund 100.000 Ersatzteile hat der Maschinenbauer an seinem Unternehmenssitz in Emskirchen in der Metropolregion Nürnberg auf Lager. „Damit können wir aus dem Stand selbst Maschinen versorgen, die wir vor drei Jahrzehnten verkauft haben und bis heute im Einsatz sind“, verspricht Weiler-Gebietsverkaufsleiter Manuel Carro.
Hingegen konnten die Auszubildenden für die Maschinen anderer Hersteller keine Ersatzteile mehr bekommen. Diese fertigten sie in der Lehrwerkstatt selber anhand der Skizzen ihrer Kollegen.
Da zu ihrem Projekt „Instandsetzung der mechanischen Werkstatt“ neben der Überholung der Maschinen auch die Schulung der örtlichen Lehrer gehörte, stand als nächstes das Erstellen der Wartungspläne und der Lehrunterlagen auf dem Plan. Hawe hatte bereits vorab fachspezifischen Englischunterricht angeboten, mit dem die Auszubildenden ihre englischen Sprachkenntnisse verbessert hatten.
Ein großer Lernfortschritt
Laut Ausbilder Lechle waren alle Beteiligten bis in die Haarspitzen motiviert, um möglichst gut vorbereitet nach Botswana zu fahren. Zwar verzögerte sich die Reise infolge der Corona-Pandemie bis März 2023, doch dann war sie ein voller Erfolg. Im Rahmen ihres zehntägigen Aufenthaltes zerlegte das Hawe-Team vor Ort sämtliche Maschinen, setzte sie mit den Ersatzteilen wieder komplett zusammen und schulte die Ausbilder vor Ort. Als Belohnung spendierte ihnen ihr Arbeitgeber noch eine Safari.
„Für unsere Auszubildenden waren nicht nur der Arbeitsaufenthalt in Botswana und die vielen Kontakte ein einmaliges Erlebnis. Sie haben gleichzeitig einen riesigen Lernsprung gemacht und an konkreten Beispielen gelernt, was Nachhaltigkeit bedeutet“, fasst Lechle das Ergebnis zusammen.
Die ausnahmslos guten Erfahrungen haben Hawe darin bestärkt, das Engagement bei „Fachkräfte für Afrika“ fortzusetzen. In diesem Jahr beteiligen sich die Auszubildenden der Standorte Kaufbeuren und Freising an einem Hydraulikprojekt in Nigeria.
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Digitalisierung der Ausbildung
Michael Lechle und seine Kollegen forcieren parallel dazu die Digitalisierung der Ausbildung. Ein wichtiger Schritt ist die Einbindung der VDMA-Lernplattform MLS in den Lehralltag. Dort lädt das Ausbilderteam als erstes Lerninhalte und Übungen zum Aufbau der Maschinen in der Werkstatt hoch.
Interessant für ihn ist das digitale Lernkonzept Education4.0 zur Metallausbildung, das ebenfalls die MLS-Lernplattform nutzt. Die Partnerunternehmen Weiler und Kunzmann, von dem ebenfalls Fräsmaschinen in der Hawe-Lehrwerkstatt stehen, haben es gemeinsam entwickelt.
Mit Anleihen bei Internetspielen und Animationssoftware haben die Maschinenbauer zielgruppengerechte und interaktive Fachinhalte für eine individualisierte Ausbildung an Dreh- und Fräsmaschinen entwickelt. Dazu gehören zahlreiche Lernvideos, Übungen, animierte Tutorials und 3D-Visualisierungen. Passend zur speziell konfigurierten physischen Maschine gibt es den digitalen Zwilling dazu.
Die innovative Kombination aus modernen Lehrinhalten und Lernformen stößt seit der Markteinführung 2022 auf großes Interesse. Nach Aussagen von Michael Eisler, geschäftsführender Gesellschafter von Weiler, ist sie bislang einzigartig: „Als Marktführer für Dreh- und Fräsmaschinen haben wir die Bedeutung der Digitalisierung für die Ausbildung früh erkannt und als erste ein umfassendes Angebot entwickelt.“ Ein wichtiges Thema ist das sichere Lernen an der Maschine, bei dem Education4.0 Auszubildende und Ausbilder mit vielen Funktionen unterstützt.
Mit ihrem Lernkonzept wollen die Maschinenbauer dazu beitragen, wieder mehr Menschen für Metallberufe zu begeistern. Das möchte auch Michael Lechle: „Das Konzept klingt sehr vielversprechend. Besonders neugierig machen mich der digitale Zwilling und die Videotutorials.“
Weiler Werkzeugmaschinen
Weiler Werkzeugmaschinen aus Mausdorf/Emskirchen in der Nähe des mittelfränkischen Herzogenaurach ist mit bislang über 160.000 verkauften Maschinen Marktführer im deutschsprachigen Raum für konventionelle und zyklengesteuerte Präzisions-Drehmaschinen. CNC-Präzisions-Drehmaschinen und Radialbohrmaschinen ergänzen die Produktpalette.
Eingesetzt werden die Präzisions-Drehmaschinen „Made in Germany“ in der Ausbildung genauso wie in der Einzel- und Kleinserienfertigung von Industrie und Gewerbe. Zu finden sind sie überall dort, wo Wert auf höchste Präzision in der Werkstückbearbeitung gelegt wird – in Universitäten und Forschungsinstituten, Optik- und Medizintechnikunternehmen genauso wie bei Maschinen-, Werkzeug- und Formenbauern, in der Luftfahrtindustrie, beim Pumpenbau und in der Erdöl- und Erdgasförderung.