Bewältigung der Krise. -

Neben der Bewältigung der Krise beschäftigt ein ganzer Strauß an politischen Themen die Unternehmen. - (Bild: chaiyapruek - stock.adobe.com)

Die Hersteller von Präzisionswerkzeugen spüren die Folgen der Corona-Krise deutlich. Bereits in der ersten Welle im März 2020 lösten die Werksschließungen der Automobilindustrie eine Kettenreaktion aus, die letzten Endes den Werkzeugbedarf einbrechen ließ. Im zweiten Halbjahr 2020 erholte sich die Nachfrage zwar bereits etwas, aber den Umsatzeinbruch konnte das nicht bremsen. Insgesamt sank der Absatz von Präzisionswerkzeugen im Jahr 2020 um 23 Prozent.

„Nach einer sich bereits 2019 abschwächenden Konjunkturentwicklung war die Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr zu Wachstum für 2020 ohnehin gering. Durch die Corona-Pandemie wurde diese Hoffnung vollends zunichtegemacht und die Branche vor ganz neue Herausforderungen gestellt“, beklagte Stefan Zecha, Vorsitzender des Fachverbands Präzisionswerkzeuge im VDMA, bei der Jahrespressekonferenz des Verbands.

Stefan Zecha. -
Stefan Zecha ist Geschäftsführer der Zecha Hartmetall - Werkzeugfabrikation und Vorsitzender des VDMA ­Präzisionswerkzeuge. - (Bild: Zecha)

„Das Instrument Kurzarbeit war und ist hier ein wirklich gutes Mittel“, so Zecha. „Trotz der dramatischen Umsatzrückgänge und der Umbrüche durch den Strukturwandel in der Automobilindustrie wird die Werkzeugbranche einen Großteil ihrer Beschäftigten mit in die Zukunft nehmen.“ Etwa ein Viertel der Unternehmen sei bisher allerdings trotzdem gezwungen gewesen, seinen Personalbestand reduzieren zu müssen.

Für 2021 geht der VDMA Präzisionswerkzeuge von einer deutlichen Umsatzsteigerung von circa 15 Prozent aus – allerdings mit einer hohen Unsicherheit hinsichtlich der Entwicklung der Pandemie.

Diese politischen Themen sind besonders relevant

Aber nicht nur Corona beschäftigt die Werkzeug-Hersteller: „Neben der Bewältigung der Krise beschäftigt ein ganzer Strauß an politischen Themen die Unternehmen“, berichtet Zecha. „Diese reichen von Klimazielen über Bürokratieaufbau im Zuge der Corona-Maßnahmen bis hin zum drohenden gesetzlichen Homeoffice-Anspruch.“ Selten seien die Herausforderungen derart komplex und vielschichtig gewesen, so der Fachverbandsvorsitzende.

Eine weitere aus der Politik kommende Herausforderung ist das Lieferkettengesetz mit allem was dazu gehört. „Das jüngst diskutierte Modell eines europäischen digitalen Lieferkettenregisters zur Überprüfung der Menschenrechtssituation vor Ort schafft neue Herausforderungen“, erläuterte Gerhard Knienieder, Vorsitzender der Fachabteilung Gewindewerkzeuge beim VDMA Präzisionswerkzeuge. „Es setzt einseitig auf Zertifizierungen, welche insbesondere für mittelständische Unternehmen sehr kostenintensiv sind.“

Daraus entstünde die Gefahr, dass ein solches Register ständig unvollständig und überholt wäre und viel bürokratischer Aufwand mit wenig Nutzen entsteht. „Die Aufgabe bleibt, dass die Politik für international gleiche Standards im Menschenrechtsbereich und damit fairen Wettbewerb sorgen muss“, so Knienieder.

Elektromobilität beeinflusst Fertigungstechnologien und Rohstoffmärkte

Der Mega-Trend Elektromobilität beschäftigt die gesamte Industrie, auch die Hersteller von Präzisionswerkzeugen. Für Hybridantriebe benötigt die Automobilindustrie neue Werkzeugkonzepte, Bauteile für rein Batterie-elektrische Fahrzeuge hingegen benötigen weniger Zerspanungswerkzeuge in der Produktion. Dies verursacht eine Marktverschiebung sowohl im Bereich Werkzeugmaschinen als auch bei den Präzisionswerkzeugen, die der VDMA beobachtet und in der Studie ‚Antrieb im Wandel‘ darlegt, die sich mit der Mobilität der Zukunft beschäftigt.

Die Marktverschiebung ist laut VDMA vor allem politisch getrieben, zum Beispiel auch durch die sogenannte Zero Pollution Strategy der EU-Kommission. Dazu Zecha: „Die EU-Kommission arbeitet an einer verschärften Abgasemissionsgesetzgebung für Pkw und Nutzfahrzeuge mit Fokus auf Stickoxide- und Partikel-Emissionen sowie andere Sekundäremissionen (Euro 7).

All die diskutierten Verschärfungen führen dazu, dass die aktuellen Szenarien in dieser Form technisch nicht wirklich erfüllbar sind und die Zukunft von verbrennungsmotorischen Antrieben in der Mobilität auf diese Weise de facto bedrohen.“ Dabei sei der klimaneutrale Betrieb von Verbrennungsmotoren dank synthetischer Kraftstoffe oder Wasserstoff durchaus möglich und ein wichtiger Baustein zum Erreichen der Klimaziele.

Lothar Horn. -
Lothar Horn, Geschäftsführer der Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn. - (Bild: Paul Horn)

Zusätzlich konkurriert die politisch geförderte batteriegestützte Elektromobilität mit den Werkzeugherstellern um Rohstoffe. „Die Batterien der Elektrofahrzeuge benötigen wie viele unserer Werkzeuge Kobalt“, erklärt Lothar Horn, Geschäftsführer der Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn.

Es werde erwartet, dass sich der Kobaltbedarf in den nächsten Jahren hochdynamisch entwickelt, was eine große Herausforderung darstellt. „Es wird entscheidend sein, ob es der Bergbauindustrie mittels der Erschließung neuer Projekte und der Erweiterung bestehender Anlagen gelingt, die starke Nachfrage zu bedienen“, so Horn weiter. „Dies könnte gelingen, setzt aber schon bei einem moderaten Wachstum der Nachfrage voraus, dass fast alle Projekte auch mit den heute angekündigten Kapazitäten in Produktion gehen.

Auch die Spanntechnik wird von der Elektromobilität beeinflusst. So werden bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen extrem genaue und gleichzeitig empfindliche zerspante Bauteile benötigt, es muss also mit höchster Präzision gearbeitet werden. „Die zur Herstellung dieser Bauteile benötigten Spannzeuge müssen sensibler sein, um mit reduzierten Anlegekräften arbeiten zu können“, erläutert Hans-Joachim Molka, Geschäftsführer der Roemheld Gruppe. „Die Spannkraft darf nur so hoch sein, wie sie das Bauteil nicht deformiert, aber dennoch sicher gespannt bleibt. Dabei spielt die Simulation von Spannkonzepten eine immer wichtigere Rolle.“

Digitalisierung der Werkzeuge verbessert Transparenz der gesamten Fertigung

In der Welt der Zerspanung machen Begriffe wie digitaler Zwilling, Cloud und Big Data die Runde, die Arbeit erfährt eine digitale Revolution. In der Metallbearbeitung ist die Digitalisierung abhängig von intelligenten Werkzeugen. „Das reicht vom Mitschreiben von Prozessdaten und der automatischen Auswertung von Massendaten im Prozess und das Toolmanagement in der Cloud hin zu sensorischen Werkzeugen“, erläutert Horn.

Gefragt ist aber ebenfalls digitale Messtechnik, die Anwendern einen schnellen, regelnden Eingriff in den Prozess ermöglicht. Auf diese Weise können dann der Verschleiß verringert und Werkzeugbeschädigungen verhindert werden. Im Idealfall lässt sich mit intelligenten Werkzeugen und der passenden Sensorik sogar ein komplett autonomer Prozess inklusive automatischer Prozessregelung realisieren, bei dem beispielsweise Schnittparameter in Echtzeit an den Fräsvorgang angepasst werden.

Insgesamt ist die Digitalisierung im Bereich der Präzisionswerkzeuge ein großer Schritt, um in der Fertigung Transparenz zu schaffen, denn die Werkzeuge sind wesentlicher Bestandteil der meisten Prozessketten. Will man einen Fertigungsprozess simulieren und optimieren, dann sind Werkzeugdaten unabdingbar. Auch für Automatisierungsprozesse sind diese Daten die Grundlage.

Nicht nur bei den Werkzeugen selbst, auch bei den Spannzeugen wird Sensorik in Zukunft eine große Rolle spielen. „Die Industrie 4.0 ist durchgängig nur zu realisieren, wenn moderne Spanntechnik mit Sensorik ausgestattet ist“, sagt Molka.

In der Spanntechnik ist Sensorik zwar schon seit einiger Zeit verbreitet, allerdings bauen viele der digitalen Lösungen auf unterschiedlichen Technologien auf. Daraus resultiert, dass sie oft nicht miteinander kommunizieren können aufgrund nicht kompatibler Schnittstellen. „Genau darin liegt die Herausforderung“, erklärt Molka. „Es geht darum, Plattformen zu schaffen, auf denen Spannzeuge unterschiedlicher Hersteller miteinander verlinkt sind und in einem Gesamtsystem kommunizieren können.“

Diese Standards werden für die Hersteller und Anwender von Spanntechnik zunehmend wichtiger werden. Deswegen führt der VDMA rege Normungsaktivitäten aus. Ein Beispiel dafür: das Einheitsblatt 34193:2020-08 zur Serialisierung und Kennzeichnung von Werkzeugen und Werkzeugspannmitteln. „Damit haben wir nicht nur eine einheitliche, maschinenlesbare Kennzeichnung für Werkzeuge und Werkzeugspannmittel geschaffen, sondern auch die Voraussetzung dafür, die Automatisierung in der Metallbearbeitung weltweit weiter voranzutreiben“, kommentiert Knienieder. „Denn erst durch die Individualisierung von Werkzeugen kann Track-and-Trace vollumfänglich umgesetzt werden.“

3D-Druck bringt neue Möglichkeiten und Herausforderungen

Additive Technologien eröffnen in der Fertigung von Präzisionswerkzeugen neue Möglichkeiten - sowohl konstruktiv, aber auch in Bezug auf Materialien und Einsatzgebiete. Dabei sollte die additive Fertigung allerdings nicht als vollwertiger Ersatz für die Zerspanung gesehen werden, sondern als ein Teil der Prozesskette. „Obwohl der additive Herstellungsprozess immer weiter voranschreitet und Einzug hält, ist in den meisten Fällen noch eine zerspanende Nachbearbeitung notwendig“, beschreibt Horn. „Zum Beispiel um Passungen und Oberflächengüten in der richtigen Qualität zu erhalten.“

Im Bereich der Spannzeuge bringen die Entwicklungen in der additiven Fertigung neue Herausforderungen mit sich. „Es bedarf nun Spanntechnik, die genau angepasst ist auf die Nachbearbeitung der additiv gefertigten Teile“, erklärt Molka.

Werkzeug-Branche kann einiges zur Nachhaltigkeit der Fertigungsindustrie beitragen

Möchte man seine Produktion nachhaltiger gestalten, dann können Werkzeuge auf verschiedenen Wegen dazu beitragen. Dem sind sich auch die Hersteller sehr bewusst, weshalb das Thema einen hohen Stellenwert hat. „Zum einen streben wir Werkzeughersteller danach, die Nachhaltigkeit bei den Kunden zu fördern, indem wir die Lebensdauer beziehungsweise Standzeit der Werkzeuge stetig erhöhen, oder Werkzeugsysteme und Dienstleistungen auf den Markt bringen, die maßgeblich zur Ressourcenschonung beitragen“, berichtet Knienieder vom VDMA Präzisionswerkzeuge, der außerdem Geschäftsführer der Emuge Franken Gruppe ist.

Beispiele dafür seien Wechselkopfsysteme, Nachschleif- und Recyclingservice oder leichtere teilweise generativ hergestellte Werkzeuge, die aufgrund ihrer geringeren Masse Energie sparen. Auch in der eigenen Produktion wird auf Nachhaltigkeit geachtet. „Natürlich machen wir bei unseren Bemühungen nicht vor dem eigenen Werkstor halt“, so Knienieder. „Wir kümmern uns auch intensiv um unsere eigenen Prozesse. Alle erfolgreichen Unternehmen haben schon jetzt eine umweltfreundliche, manche sogar bereits eine klimaneutrale Produktion.“

Fachkräftemangel bleibt relevant

Der Wachstumsschub vergangener Jahre hat am Arbeitsmarkt zu einem zusätzlichen Bedarf an Fachkräften geführt, doch diese zu finden, wird immer schwieriger. Daher mussten vor dem Konjunktur-Rückgang und der Pandemie viele Firmen in der Präzisionswerkzeugbranche mit Überstunden operieren – im Werkzeugbau waren es 2018 jeder Vierte, in der Sparte der Zerspanwerkzeuge waren es sogar die Hälfte aller Betriebe. 2019 war die Situation bereits entspannter und momentan macht die Corona-Krise weitere Fachkräfte verfügbar.

Insgesamt bleibt der Fachkräftemangel ein Sorgenkind der deutschen Werkzeug- und Maschinen-Hersteller. Beim Maschinenbau-Barometer der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC gaben 82 Prozent der Befragten an, dass der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften das größte Wachstumshindernis darstellt. Dies ist auch bedingt durch die steigenden Aufwende für Personal, die zum primären Kostentreiber werden.

Den Werkzeug- und Formenbau beschäftigt noch ein ganz anderes Thema: In Ländern wie China und Südafrika ist der Stellenwert des Werkzeugbaus wesentlich höher als in Deutschland. Da dort einheimische Unternehmen vom Staat gefördert werden, leiden deutsche Werkzeugbauten schon länger unter Wettbewerbsverzerrungen. Doch mittlerweile kommen darüber hinaus auch Probleme auf dem deutschen Markt hinzu.

Werkzeugbau kämpft mit schlechtem Geschäftsgebaren

Marco Schülken. -
Marco Schülken ist Geschäftsführer von Schülken Form und Vorsitzender des VDMA Werkzeugbaus. - (Bild: Schülken Form)

„Einige dominante Großkunden auf dem deutschen Markt legen ein verheerendes Geschäftsgebaren an den Tag“, berichtete Marco Schülken, Geschäftsführer von Schülken Form und Vorsitzender des VDMA Werkzeugbaus bereits vor der Corona-Krise. „Man kann regelrecht von einem Ausbluten der deutschen Werkzeugbauer reden.“ Als Beispiele für schädliche Geschäftspraktiken nannte er die umfangreiche Vorfinanzierung von kundenspezifischen Projekten, Preisnachlässe bei geschlossenen Verträgen als Bedingung für Anschlussaufträge sowie die Abnahmeverweigerung oder –verzögerung als Vorwand, um mit nicht vollständig bezahlten Werkzeugen zu produzieren.

Durch die Pandemie wurde das Problem verstärkt: „Im Laufe des Jahres 2020 stapelten sich in unseren Unternehmen zusehends die fertigen Werkzeuge, die wegen der Reisebeschränkungen von in- und ausländischen Kunden nicht abgenommen werden konnten und auf ihre Auslieferung warteten“, berichtet Schülken im Januar 2021. Zusätzlich würden Kunden die Abnahme oder auch die Zahlungen absichtlich verzögern, um ihre eigene Liquidität auf Kosten ihrer Werkzeuglieferanten zu sichern. „Besonders schwierig war die Vereinbarung von Abnahmeterminen, wenn das Werkzeug aufgrund der eigenen stillstehenden Fertigung gerade noch nicht gebraucht wurde“, beklagt Schülken.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat der VDMA die Initiative Fairness+ ins Leben gerufen. Sie soll die Zukunftsfähigkeit aller beteiligten Branchen sichern und ausgewogene vertragliche Regelungen für Lieferer und Einkäufer herstellen.

„Es muss allen Kunden klar sein, dass ihre eigene Zukunft ganz wesentlich von ihrem eigenen Geschäftsgebaren abhängt“, kommentiert Schülken. „Denn ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit basiert zu einem Großteil auf den Leistungen ihren bewährten Werkzeuglieferanten.“

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