Die Symptomatik schwingender Werkstücke und der Umgang damit beschäftigt Zerspanungsmechaniker im Grunde bereits seit es Werkzeugmaschinen gibt; heutzutage machen Leichtbau und Co. Lösungen für dieses Problem noch dringender.
Wenn Werkstücke instabil sind, reicht die Dämpfung in den Maschinen, Spindeln oder der Spanntechnik häufig nicht aus, um eine qualitativ hochwertige Oberfläche zu erhalten. Solche Bauteile müssen daher meist sehr vorsichtig bearbeitet werden – mit Sonderwerkzeugen, einer verringerten Geschwindigkeit und damit verbundenen höheren Kosten. Mithilfe einer zusätzlichen Werkstückdämpfung lässt sich dies jedoch vermeiden.
Bimatec Soraluce hat dafür ein System entwickelt, das das Rattern bei der Bearbeitung von instabilen Werkstücken eliminiert. Es basiert auf dem bereits bekannten System DAS+ (Dynamics Active Stabilizer), das Vibrationen der Maschine ausgleicht. Nach dem gleichen Prinzip werden nun Werkstückschwingungen ausgeglichen.
Der Dynamic Workpiece Stabilizer, kurz DWS, ist ein aktives Dämpfungssystem, das direkt am Werkstück befestigt wird. Es besteht aus einer Kontrolleinheit und mehreren integrierten Aktoren, die Gegenschwingungen erzeugen (mehr zur genaueren Funktionsweise weiter unten).
Welche Verbesserungen sind dank DWS möglich?
Was das DWS in einem Zerspanvorgang bewirken kann, zeigt eine Beispielbearbeitung von Bimatec Soraluce. „Ohne das aktive Dämpfungssystem am Werkstück hört man bei der Bearbeitung ein deutliches Rattern und die bearbeitete Oberfläche hat Wellen“, erklärt Frank Jung, Bereichsleiter Technologie bei Bimatec Soraluce. „Die Wellen entstehen dabei aufgrund dessen, dass die Schneiden des Werkzeugs durch die Schwingungen des Werkstücks an manchen Stellen tiefer eindringt als an anderen. Wird das DWS angebracht und aktiviert, so werden die Schwingungen ausgeglichen und es entstehen keine Wellen mehr.“
Wird also das Rattern während der Bearbeitung dank des DWS reduziert, steigt die Oberflächenqualität an. Wie groß der Unterschied bei den Oberflächen sein kann, zeigt auch die bereits erwähnte Beispielanwendung: Während ohne DWS lediglich ein Mittenrauwert Ra von 2,471 Mikrometern erreicht werden kann, liegt dieser mit DWS bei 0,932 Mikrometern.
Weniger Rattern sorgt für mehr Produktivität
„Aufgrund der wesentlich verbesserten Oberflächen, ist keine Nachbearbeitung mehr nötig“, berichtet Jung. „Dies verkürzt die Durchlaufzeiten der Bauteile und steigert so die Produktivität.“ Außerdem belaste das Rattern die Kegelräder im Fräskopf. Wird es mittels des DWS eliminiert, dann sinke diese Belastung und es seien höhere Zustellraten möglich.
Ein weiterer Vorteil der aktiven Dämpfung des DWS zeigt sich im Vergleich mit konventionellen, passiven Varianten der Werkstückdämpfung. Bei der konventionellen Schwingungsdämpfung wird entweder auf sehr komplizierte Spannvorrichtungen zurückgegriffen oder es werden Versteifungen in Form von eingeschweißten Streben am Werkstück angebracht. Letzteres ist enorm aufwendig: Das Material für die Streben muss beschafft und zugeschnitten werden, die Streben müssen geschweißt werden und nach dem Bearbeitungsvorgang müssen sie wieder entfernt und das Werkstück nachbearbeitet werden.
Daher ist die konventionelle Dämpfung nicht ideal: „Diese Methode verursacht häufig Werkstückverzug und bringt einen hohen Zeitaufwand mit sich“, erklärt Jung. „Mit der aktiven Methode des DWS bleibt das Werkstück unbeschädigt und der Zeitaufwand ist wesentlich geringer.“ Doch wie funktioniert diese aktive Schwingungsdämpfung mit dem DWS genau?
So funktioniert der DWS von Bimatec Soraluce
Bei dem DWS handelt es sich um ein mobiles System, das aus einer Kontrolleinheit und mehreren zylinderförmigen Aktoren besteht. Diese wiederum bestehen aus Sensorik zur Messung der Schwingungen sowie eine Elektromechanik zur Erzeugung der Gegenschwingungen. Das ganze System kann in einem Rollkoffer transportiert und so an verschiedenen Werkstücken genutzt werden.
Um die Schwingungen eines Werkstücks zu eliminieren, wird ein Aktor am Werkstück per Magnet, Vakuum oder mithilfe von mechanischen Klammern befestigt. Dann muss das System zunächst kalibriert werden. Dies geschieht, indem der Aktor Schwingungen auslöst und die Resonanz des Werkstücks gemessen wird. Anhand dieser Messung erfolgt dann die Kalibrierung, die circa drei bis vier Minuten dauert.
Dabei wird einerseits die notwendige Energie und Frequenz für die Gegenschwingungen berechnet und andererseits die Zeitverzögerung zwischen der Schwingung und dem Eingangssignal ermittelt. „Mit der Kalibrierung wird sichergestellt, dass die passenden Gegenschwingungen zum genau richtigen Zeitpunkt ausgelöst wird und die Schwingungen des Werkstücks exakt ausgeglichen werden“, resümiert Jung.
Dann kann die Bearbeitung mit aktiviertem DWS starten. Die im Aktor verbaute Elektromechanik erzeugt nun die passenden Gegenschwingungen, um die Schwingungen des Werkstücks auszugleichen und das Rattern verschwindet.
Technische Daten des DWS
Die Aktoren des DWS haben einen Durchmesser von 12 Zentimetern und sind 30 Zentimeter lang; das Gewicht liegt bei circa 10 Kilogramm. Das Steuergerät muss an 400-Volt-Starkstrom angeschlossen werden.
Für welche Werkstücke eignet sich das System?
Es können bis zu vier Aktoren von der Kontrolleinheit angesteuert werden – entweder verteilt am Werkstück oder gebündelt. Das erlaubt den Einsatz an einer großen Bandbreite von Werkstücken.
Wie die Verteilung der Aktoren erfolgt, hängt von den Eigenschaften des jeweiligen Werkstücks ab. „Bei einer großen Masse ist es sinnvoll die Aktoren zu bündeln, damit die auch die Wirkung gebündelt wird“, erläutert der Bereichsleiter. „Hat man hingegen ein leichtes, aber großes Bauteil ist es sinnvoll die Aktoren zu verteilen.“ Denn in diesem Fall ist es möglich, dass an unterschiedlichen Stellen des Werkstücks unterschiedlich starke Schwingungen auftreten. Sind die Aktoren über die gesamte Fläche verteilt, können sie auch passende, unterschiedlich starke Gegenschwingungen erzeugen.
Das DWS ist also an viele Fertigungssituationen und Werkstücke anpassbar. „Nur bei extrem schweren Bauteilen von mehreren Tonnen Gewicht oder sehr dünnen Blechen von weniger als zwei Millimetern werden Sie Schwierigkeiten haben, die Schwingungen komplett auszugleichen“, schließt Jung. „Zwischen diesen Extremfällen ist im Grunde alles möglich.“