Die Branche hadert mit der Politik. Die Rahmenbedingungen stimmen nicht, klagen die Verbandsbosse. Trotzdem erzielte man im vergangenen Jahr mit Präzisionswerkzeugen einen Umsatz von knapp zehn Milliarden Euro. „Nominal stieg der Umsatz der Präzisionswerkzeug-Hersteller 2023 um drei Prozent“, berichtete Stefan Zecha, Vorsitzender des Fachverbands Präzisionswerkzeuge im VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Anfang Februar auf der Jahres-Pressekonferenz in Frankfurt am Main.
Klingt erst einmal gar nicht so schlecht. Doch Zecha relativiert: „Das wäre eine positive Nachricht, wenn Inflation, Kostensteigerungen, Steuerlast und steigende Bürokratieaufwände den Gewinn nicht auffressen würden. Denn zu den bereits bestehenden wirtschaftlichen Herausforderungen durch die Transformation und den Strukturwandel in den wichtigen Abnehmerbranchen kommen immer neue Krisen und nachteilige Rahmenbedingungen, die für viele Unternehmen mittlerweile existenzbedrohende Ausmaße angenommen haben.“
Inlandsmarkt wirkte stabilisierend
Diesmal konnte der Inlandsmarkt für Werkzeuge mit einem Plus von vier Prozent trotz des schwachen gesamtwirtschaftlichen Umfelds überdurchschnittliche Akzente setzen. Ermöglicht hätten das die wieder funktionierenden Lieferketten und die dadurch stark gestiegene Inlandsproduktion der deutschen Automobilindustrie.
Auf einen Blick
So steht’s um die Präzisionswerkzeug-Industrie:
- Umsatzwachstum 2023: nominell drei Prozent
- Zu den bestehenden Herausforderungen wie Transformation und Strukturwandel in wichtigen Abnehmerbranchen kommen immer neue Krisen und nachteilige Rahmenbedingungen, die mittlerweile für manchen existenzbedrohend werden
- Aussichten 2024: durchwachsen, aber die Unternehmen wollen sich gegen den allgemeinen Abwärtstrend behaupten und das Umsatzniveau halten
Auch der Maschinenbau trug seinen Teil durch eine hohe Produktionsauslastung und Auslieferungen bei. Wenige Tage zuvor hatten die für die Präzisionswerkzeuge-Hersteller wichtigen Werkzeugmaschinenhersteller ein sattes Produktionsplus von knapp acht Prozent auf 14,8 Milliarden Euro vermeldet – das war inflationsbereinigt immerhin noch ein Plus von zwei Prozent. Schlechtere Aussichten musste der VDW-Vorsitzende Franz-Xaver Bernhard, Vorstandsmitglied von Hermle, allerdings für das laufende Jahr verkünden. Er rechnet mit einem Rückgang von knapp drei Prozent. Somit könne „das bisherige Rekordvolumen 2018/19 von 17 Milliarden Euro auch nach fünf Jahren nominal noch nicht ausgeglichen werden“.
Diese Erfahrungen bestätigt auch Philipp Ehrhardt, Vorsitzender der Fachabteilung Spannzeuge und geschäftsführender Gesellschafter von Römheld. Trotz anders gelagerter Konjunkturzyklen konnten zum Teil lange überfälliger Projekte im Werkzeugmaschinenbereich realisiert werden, die auch für die Spannmittel-Hersteller 2023 zu einem insgesamt erfolgreichen Jahr machen. Durch den Schub im Erstausrüstergeschäft betrug das Umsatzplus etwa zehn Prozent. Aber auch hier gilt: „Nun schwächelt der Auftragseingang. Entsprechende Projekte aus Aufträgen in Verbindung mit der Beschaffung von neuen Werkzeugmaschinen haben sich im Verlauf des Jahres doch sehr beruhigt.“
Heterogener Export schwächelt insgesamt
Der Export von Präzisionswerkzeugen konnte 2023 insgesamt nur um zwei Prozent zulegen. Eine genauere Betrachtung zeige allerdings – wie schon im vorherigen Jahr – deutlich unterschiedliche Entwicklungen in einzelnen Branchen und Zielländern. Weiterhin hartnäckig schwach: das Chinageschäft. Das nominale Plus 1,7 Prozent im Auslandsgeschäft stützte sich, wie schon im Vorjahr, vor allem auf das Amerikageschäft „mit teilweise beeindruckenden Wachstumsraten“. So konnten in allen wichtigen Märkten des amerikanischen Kontinents die Absatzzahlen der Zerspanwerkzeuge gesteigert werden.
Markus Horn, Chef des Werkzeugeherstellers Paul Horn, ist derzeit Vorsitzender der Fachabteilung Wendeschneidplatten im Fachverband: „In den ersten elf Monaten stiegen die Exporte in die Vereinigten Staaten um satte sieben Prozent, nach Mexiko sogar um 18 Prozent.“
Das Geschäft mit China verlor hingegen weiter kräftig an Boden. Es lag um 16 Prozent unter dem Vergleichszeitraum aus 2022. „Auch andere wichtige asiatischen Märkte wie Korea, Taiwan und Japan zeigten sich in diesem Jahr deutlich schwächer und verhagelten die Bilanz.“ Nur das neue Boomland Indien konnte mit einem Plus von zehn Prozent gegenhalten.
Auch für die Spannmittelhersteller erwies sich der amerikanische Kontinent mit den USA (plus fünf Prozent), Mexiko (plus 14 Prozent) und Brasilien (plus drei Prozent als Segen. Ebenfalls Verlierer: China mit minus fünf Prozent gegenüber einem auch schon schwachen Vorjahr. Leicht im Plus mit vier Prozent lagen die EU-Länder. Noch trägt das Plus des vergangenen Jahres. Aber: „Die sich schon jetzt abzeichnende Schwäche bei Neumaschinenprojekten und das deutlich abgekühlte Investitionsklima deuten im weiteren Jahresverlauf auf einen schwächeren Absatz hin“, gibt Ehrhardt zu Protokoll.
Rahmenbedingungen sind Bremsklotz
Man mache es sich in Deutschland und Europa selbst schwer, bedauert Verbandsvorsitzender Zecha: „Was die Unternehmen dringend brauchen, sind bessere Rahmenbedingungen: schneller Bürokratieabbau, offene Märkte, neue Freihandelsabkommen, der Abbau von Handelshemmnissen, bezahlbare Energie, ein investitionsfreundliches Steuersystem mit niedrigeren Unternehmenssteuern und besseren Abschreibungsbedingungen!“
Das empfindet auch Philipp Ehrhardt so: „Neben der steigenden Belastung durch überbordende Bürokratisierung wird es für unsere Industrie auch durch steigende Kosten immer schwieriger, international wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Wobei das Thema Energie ein Dauerbrenner bleibe. Er bemängelt falsche Entscheidungen der Politik, die dazu führten, dass teurer, meist wenig umweltfreundlich hergestellter Strom im Ausland eingekauft werden müsse. „Wir brauchen als Gesellschaft mehr Technologieoffenheit in allen Bereichen, insbesondere bei der Energieversorgung, von der Gewinnung über den Transport bis hin zur Speicherung und genauso beim Verkehr.“
Insbesondere den Fachkräftemangel empfindet Vorstandskollege Horn als Bremsklotz. „Ohne eine vernünftige Fachkräftezuwanderung werden wir definitiv in Zukunft nicht über die Runden kommen.“ Nationalistische Parolen, die Fachkräften aus anderen Ländern das Gefühl gäben, hier nicht willkommen zu sein, „sind für den Wirtschaftsstandort Deutschland eine große Gefahr“, deren erste negative Auswirkungen bereits zu spüren seien.
Kommen Sie zum Maschinenbau-Gipfel!
Der 14. Deutsche Maschinenbau-Gipfel war ein herausragender Erfolg! Über 900 Teilnehmer versammelten sich in Berlin für den größten Gipfel aller Zeiten. Prominente Gäste wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner bereicherten die Veranstaltung.
2025 geht es weiter! Die Branche trifft sich am 16. und 17. September 2025 in Berlin.
Immerhin, der VDMA jammert nicht nur, er tut auch etwas für seine Mitglieder, wie Horn anhand zweier Initiativen verdeutlicht. Dabei geht es einmal um eine brancheneinheitliche Berechnungsmethode für den CO2-Fußabdruck der Produkte. „Diese Methode brauchen wir, um die klimaneutrale Produktion auf die Schiene zu setzen.“ Sie basiert auf den UN Sustainable Development Goals sowie auf einer passenden ISO-Norm und sei detailliert auf die Betrachtung des Herstellprozesses der Zerspanwerkzeuge ausgelegt. Das zweite Projekt beschäftigt sich mit dem Recycling von Werkzeugverpackungen, meist einfach achtlos beim Kunden entsorgt würden. Ziel sei es, die Wertschöpfungskette nachhaltiger zu gestalten. Erste konkrete Ergebnisse sollen auf der AMB vorgestellt werden.
AMB erneut als Hoffnungsanker
Die wichtigste europäischen Messe in den geraden Jahren ist für die Branche die AMB in Stuttgart. Vom 10. bis 14. September 2024 erwarten die Aussteller für Zerspanwerkzeuge und Spanntechnik nachhaltige Konjunkturimpulse, denn innovative Produktionstechnologie werde immer gebraucht. Der Gedanke dahinter: ein Umbau zur klimaneutralen Produktion geht nur mit den entsprechenden Präzisionswerkzeugen. Sie spielten sogar eine Schlüsselrolle, ist Zecha überzeugt. Und in die weitere Zukunft gerichtet: Ich glaube, dass das kommende Jahr besser wird. Aber dieses Jahr müssen wir etwas dafür tun, dass die Stimmung sich mal ins Positive dreht.
Auch der Verband zeigt in Stuttgart Flagge: mit einem Infostand mitten unter den Werkzeug-Herstellern. Dort veranstaltet er wieder das dreitägige Technologieforum mit zahlreichen Vorträgen zu den neuesten Trends, auf dem die VDMA-Mitglieder die Ergebnisse ihrer Entwicklungen und konkrete technische Anwendungsbeispiele zeigen. Das Themenspektrum reicht von der Zerspanung und Spanntechnik über die Mess- und Prüftechnik bis hin zur Digitalisierung. Auch Start-ups und Forschungsprojekte werden zahlreich vertreten sein und einen Blick in der Zukunft der Zerspanung ermöglichen.
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Dann haben wir was für Sie: Hier geht's zum Artikel über die acht Themen, die die Branche dominieren.
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